Pressemeldungen der Justiz - Verwaltungsgericht Dessau
(LG MD) Unternehmer wegen
Beitragsvorenthaltung nach § 266 a StGB verurteilt
05.07.2010, Magdeburg – 44
- Landgericht Magdeburg
Landgericht Magdeburg - Pressemitteilung Nr.: 044/10
Landgericht Magdeburg -
Pressemitteilung Nr.: 044/10
Magdeburg, den 5. Juli 2010
(LG MD) Unternehmer wegen
Beitragsvorenthaltung nach § 266 a StGB verurteilt
21 Ns 17/09 1. Strafkammer als
Berufungskammer
In dem am 22. April 2010 begonnenen Prozess hat die
1. (kleine) Strafkammer am 29.06.2010 den Angeklagten wegen Verstößen gegen §
266 a StGB in 18 Fällen zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 10 ¿
verurteilt.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die
Staatsanwaltschaft hatte eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 10 ¿, die
Verteidigung Freispruch beantragt.
Das schriftliche Urteil
wird voraussichtlich in 5 bis 6 Wochen vorliegen.
Das Gericht geht von
folgendem Sachverhalt aus: Der im Juni 1953 geborenen Oleg S. hat, mit seiner
in Magdeburg ansässigen Firma im Zeitraum August 2004 bis Januar 2006 Frauen
aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjet-Union als Reinigungskräfte in westlichen Bundesländern
für Toiletten und Waschräume an Autobahnraststätten, Autohöfen und einem
Schnellrestaurant beschäftigt. Die Mitarbeiterinnen stellte der Angeklagte auf
Minijobbasis ein. Sie mussten 14 Tage lang täglich 12 Stunden arbeiten und
verdienten zwischen 60 und 170 ¿ monatlich. Weiterhin erhielten sie freie Kost
und Logis.
Durch einen
Zweischicht-Betrieb war sichergestellt, dass der Angeklagte als Pächter der
Toilettenanlagen seiner Verpflichtung gegenüber den Raststättenbetreibern
nachkommen konnte, die Nassräume rund um die Uhr sauber zuhalten. Der
Angeklagte erhielt für die Tätigkeit von den Raststätten rund 500 ¿ monatlich
zzgl. des Trinkgeldes und der Entgelte, die für die Benutzung der Duschen
anfielen. Das Trinkgeld floss damit nicht den Putzfrauen, sondern dem
Angeklagten zu.
Das Gericht ermittelte
Stundenlöhne von maximal 1, 79 ¿ und minimal unter 1 ¿, die die Putzfrauen
erhielten. Der allgemein verbindliche und damit gesetzliche Mindestlohn betrug
im Tatzeitraum mindestens 7,68 ¿ / h.
Da der Angeklagte die
Beiträge zur Sozialversicherung (Kranken-, Renten-, Arbeitslosenversicherung)
nur aus dem geringeren tatsächlich gezahltem Lohn und nicht aus dem Mindestlohn
bezahlte, geht das Gericht davon aus, dass der Tatbestand des § 266 a Strafgesetzbuch,
StGB, (Vorenthalten und Veruntreuung von Arbeitsentgelt) erfüllt ist. Im
konkreten Fall ist den Sozialkassen ein Schaden von insgesamt rund 69.000 ¿
entstanden.
Nach der
Revisionsentscheidung des Oberlandesgerichts vom 8. Juli 2009 (Az. 2 SS 90/09)
in diesem Verfahrenmuss bei der Festsetzung der an die Sozialkassen
abzuführenden Beiträge nicht auf den tatsächlich gezahlten (geringeren) Lohn
sondern auf den (höheren) Mindestlohn abgestellt werden, der den
Arbeitnehmerinnen zustand.
Weiterhin hat die
Kammer festgestellt, dass Stundenlöhne unter 1 ¿ ganz offensichtlich
unangemessen und sittenwidrig sind.
Das Gericht ist nicht
der Ansicht der Verteidigung gefolgt, dass die Reinigungskräfte lediglich 2 bis
3 h täglich putzen mussten und die restliche Zeit der 12 Stundenschicht nur
Bereitschaftszeit oder sogar Freizeit gewesen sei.
Bei der Strafzumessung
hat das Gericht im Wesentlichen berücksichtigt, dass der Angeklagte nicht
vorbestraft ist und seine Firma sich mittlerweile in Insolvenz befindet. Auch
die überlange Verfahrensdauer wirkte sich zugunsten des Angeklagten aus.
Prozessgeschichte:
Am 09. Oktober 2008 und
am 26.März 2009 vertraten das Amtsgericht Magdeburg als das Gericht 1. Instanz
und das Landgericht Magdeburg als Gericht 2. Instanz übereinstimmend die
Auffassung, dass sich der Arbeitgeber nicht strafbar macht und sprachen ihn
frei. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hob das Oberlandesgericht
Naumburg als Revisionsgericht mit Urteil vom 8. Juli 2009 (Az. 2 SS 90/09) den
Freispruch auf, da es ihn nicht für ausreichend begründet erachtete und führte
folgendes aus:
¿Bei der erneuten
Entscheidung wird zu beachten sein, dass der objektive Tatbestand des § 266 a
Abs 1 StGB bereits dann erfüllt ist, wenn der Arbeitgeber die
Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung bei Fälligkeit nicht an die
zuständige Einzugstelle abführt, obwohl er zur Zahlung in der Lage war ¿ Bei
Tariflohnunterschreitungen ist die Höhe der Beitragsschuld nicht auf Grund des
gezahlten ¿ sondern nach dem geschuldeten Tariflohn zu berechnen.¿
Christian
Löffler
Pressesprecher
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