Pressemeldungen der Justiz - Verwaltungsgericht Dessau
(LG MD) Urteil rechtskräftig:
Nichtzahlung von Mindestlohn als Straftat
10.12.2010, Magdeburg – 83
- Landgericht Magdeburg
Landgericht Magdeburg - Pressemitteilung Nr.: 083/10
Landgericht Magdeburg -
Pressemitteilung Nr.: 083/10
Magdeburg, den 10. Dezember 2010
(LG MD) Urteil rechtskräftig:
Nichtzahlung von Mindestlohn als Straftat
21 Ns 17/09 1. Strafkammer als
Berufungskammer
Mit einstimmigen Beschluss vom 01.12.2010 hat das
Oberlandesgericht Naumburg (2 Ss 141/10) das Urteil des Landgerichts vom
29.06.2010 bestätigt, wonach der Angeklagte wegen Verstößen gegen § 266 a StGB
(Beitragsvorenthaltung) in 18 Fällen zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu
je 10 ¿ verurteilt wurde.
Damit ist erstmalig in Deutschland ¿ soweit
bekannt ¿ ein Unternehmer, der keinen vorgeschriebenen Mindestlohn gezahlt hat,
wegen einer Straftat und nicht nur wegen einer Ordnungswidrigkeit verurteilt
worden.
Da das Oberlandesgericht die Revision des
Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts nach § 349 Abs. 2
Strafprozessordnung (StPO) verworfen hat, enthält der ohne mündliche
Verhandlung gefasste Beschluss des Oberlandesgerichts keine ausführlichen
Gründe. Die Begründung beschränkt sich darauf, dass die Nachprüfung des Urteils
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
Das Urteil des Landgerichts ist in der Datenbank
¿juris¿ im Volltext eingestellt.
Damit steht
folgender vom Landgericht ermittelter Sachverhalt fest:
Der im Juni 1953
geborenen Oleg S. hat, mit seiner in Magdeburg ansässigen Firma im Zeitraum
August 2004 bis Januar 2006 Frauen aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjet-Union
als Reinigungskräfte in westlichen Bundesländern für Toiletten und Waschräume
an Autobahnraststätten, Autohöfen und einem Schnellrestaurant beschäftigt. Die
Mitarbeiterinnen stellte der Angeklagte auf Minijobbasis ein. Sie mussten 14
Tage lang täglich 12 Stunden arbeiten und verdienten zwischen 60 und 170 ¿
monatlich. Weiterhin erhielten sie freie Kost und Logis.
Durch einen
Zweischicht-Betrieb war sichergestellt, dass der Angeklagte als Pächter der
Toilettenanlagen seiner Verpflichtung gegenüber den Raststättenbetreibern
nachkommen konnte, die Nassräume rund um die Uhr sauber zuhalten. Der
Angeklagte erhielt für die Tätigkeit von den Raststätten rund 500 ¿ monatlich
zzgl. des Trinkgeldes und der Entgelte, die für die Benutzung der Duschen
anfielen. Das Trinkgeld floss damit nicht den Putzfrauen, sondern dem
Angeklagten zu.
Das Gericht ermittelte
Stundenlöhne von maximal 1,79 ¿ und minimal unter 1 ¿, die die Putzfrauen
erhielten. Der allgemein verbindliche und damit gesetzliche Mindestlohn betrug
im Tatzeitraum mindestens 7,68 ¿ / h.
Da der Angeklagte die
Beiträge zur Sozialversicherung (Kranken-, Renten-, Arbeitslosenversicherung)
nur aus dem geringeren tatsächlich gezahltem Lohn und nicht aus dem Mindestlohn
bezahlte, geht das Gericht davon aus, dass der Tatbestand des § 266 a
Strafgesetzbuch, StGB, (Vorenthalten und Veruntreuung von Arbeitsentgelt)
erfüllt ist. Im konkreten Fall ist den Sozialkassen ein Schaden von insgesamt
rund 69.000 ¿ entstanden.
Nach der
Revisionsentscheidung des Oberlandesgerichts vom 8. Juli 2009 (Az. 2 SS 90/09)
in diesem Verfahrenmuss bei der Festsetzung der an die Sozialkassen
abzuführenden Beiträge nicht auf den tatsächlich gezahlten (geringeren) Lohn
sondern auf den (höheren) Mindestlohn abgestellt werden, der den
Arbeitnehmerinnen zustand.
Weiterhin hat die
Kammer festgestellt, dass Stundenlöhne unter 1 ¿ ganz offensichtlich
unangemessen und sittenwidrig sind.
Das Gericht ist nicht
der Ansicht der Verteidigung gefolgt, dass die Reinigungskräfte lediglich 2 bis
3 h täglich putzen mussten und die restliche Zeit der 12 Stundenschicht nur
Bereitschaftszeit oder sogar Freizeit gewesen sei.
Bei der Strafzumessung
hat das Gericht im Wesentlichen berücksichtigt, dass der Angeklagte nicht
vorbestraft ist und seine Firma sich mittlerweile in Insolvenz befindet. Auch
die überlange Verfahrensdauer wirkte sich zugunsten des Angeklagten aus.
Prozessgeschichte:
Am 09. Oktober 2008 und
am 26.März 2009 vertraten das Amtsgericht Magdeburg als das Gericht 1. Instanz
und das Landgericht Magdeburg als Gericht 2. Instanz übereinstimmend die
Auffassung, dass sich der Arbeitgeber nicht strafbar macht und sprachen ihn
frei. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hob das Oberlandesgericht
Naumburg als Revisionsgericht mit Urteil vom 8. Juli 2009 (Az. 2 SS 90/09) den
Freispruch auf, da es ihn nicht für ausreichend begründet erachtete und führte
folgendes aus:
¿Bei der erneuten
Entscheidung wird zu beachten sein, dass der objektive Tatbestand des § 266 a
Abs 1 StGB bereits dann erfüllt ist, wenn der Arbeitgeber die
Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung bei Fälligkeit nicht an die
zuständige Einzugstelle abführt, obwohl er zur Zahlung in der Lage war ¿ Bei
Tariflohnunterschreitungen ist die Höhe der Beitragsschuld nicht auf Grund des
gezahlten ¿ sondern nach dem geschuldeten Tariflohn zu berechnen.¿
Christian
Löffler
Pressesprecher
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