Pressemitteilungen der Ministerien
Landtag / Finanzminister Paqué zur rot-grünen
Finanzpolitik des Bundes: sogenanntes Steuervergünstigungsabbaugesetz würde
Sachsen-Anhalt schwer schaden
12.12.2002, Magdeburg – 65
- Ministerium der Finanzen
Ministerium der Finanzen - Pressemitteilung Nr.: 065/02
Ministerium der Finanzen -
Pressemitteilung Nr.: 065/02
Magdeburg, den 12. Dezember 2002
Landtag / Finanzminister Paqué zur rot-grünen
Finanzpolitik des Bundes: sogenanntes Steuervergünstigungsabbaugesetz würde
Sachsen-Anhalt schwer schaden
Sachsen-Anhalts
Finanzminister Prof. Dr. Karl-Heinz Paqué hat auf der heutigen Landtagssitzung
zu den Auswirkungen der rot-grünen Finanzpolitik des Bundes auf Sachsen-Anhalt
Stellung genommen:
Anrede,
die
rot-grüne Bundesregierung hat einen Entwurf für ein sog. ¿Steuervergünstigungsabbaugesetz¿
vorgelegt. Erlauben Sie mir, aus Sicht der Landesregierung zu einigen
Kernpunkten dieses Entwurfes Stellung zu nehmen. Denn würde dieser Entwurf
Gesetz, so würde dieses Gesetz unserem Land schwer schaden.
Schon der
Name des Gesetzentwurfes ist vielsagend. Bis vor kurzem hießen die steuerlichen
Initiativen der Bundesregierung ¿Steuerentlastungsgesetz¿ oder
¿Steuersenkungsgesetz¿. Sie waren zwar in ihrer Ausgestaltung im einzelnen
fragwürdig, aber sie zielten zumindest in die Richtung der Senkung der Abgabenlast.
Mit dieser
Philosophie macht das nun vorgelegte Steuervergünstigungsabbaugesetz Schluss,
und zwar gründlich. Angeblich geht es dabei um das Beseitigen von
ungerechtfertigten Steuervergünstigungen. Da ist die Rede davon, dass ¿in der
Vergangenheit das Steuersystem immer mehr zu unterschiedlichsten Lenkungszwecken
eingesetzt wurde¿ und ¿dass dabei die Erkenntnis verloren ging, dass Steuern in
erster Linie der Erzielung notwendiger Einnahmen zur Finanzierung öffentlicher
Leistungen dienen sollen¿.
Dies klingt
plausibel. Und es fehlt dabei nicht an schneidigen Begründungen. Und über das
Beseitigen von zweifelhaften Steuervergünstigungen, die es gibt, ließe sich
natürlich im Grundsatz politisch reden. Aber dies kann und darf nur im Rahmen
einer Diskussion geschehen, die eine grundlegende Vereinfachung des
Steuerrechts bei gleichzeitiger Senkung der Steuersätze auf breiter Front zum
Ziel hat. Es kann und darf nicht darum gehen, den Bürgern und Bürgerinnen einfach
noch mehr Geld aus der Tasche zu ziehen. Es muss allein darum gehen, auf dem
Weg zu einer fairen, leistungsgerechten Besteuerung die Bemessungsgrundlage zu
verbreitern, Tarife zu senken und dann natürlich auch sog. Vergünstigungen
abzuschaffen.
Diese
Philosophie liegt einigen Reformvorschlägen zugrunde, die aus der Wissenschaft
und aus der Politik gekommen sind. Ich nenne allen voran den Vorschlag eines
einfachen Dreistufentarifs in der Einkommensteuer, wie er vom Verfassungsrichter
a.D. Prof. Paul Kirchhoff und von meiner Partei, den Freien Demokraten,
vorgelegt worden ist.
Das, was
die Bundesregierung jetzt vorgelegt hat, ist von diesen zukunftsweisenden
Vorschlägen Lichtjahre entfernt. Es ist ein Entwurf, der in der Not zusammengeschustert
wurde, um Geld zusammenzukratzen, wo es noch irgendwo zu finden ist.
Herausgekommen ist kein Gesetzentwurf zum Abbau von Steuervergünstigungen,
sondern ein Gesetzentwurf zur Senkung der
Nettoeinkommen der Bürger .
Ein großer
Teil der jetzt geplanten Belastungen entfällt auf den unternehmerischen
Bereich, der erst vor kurzem durch das Steuersenkungsgesetz entlastet worden
ist. Damals hieß es noch in der Gesetzesbegründung, dass ¿zur Stärkung der
Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft die Steuerbelastung für die
Unternehmen zurückgeführt werden muss¿. Damit macht die Bundesregierung jetzt
Schluss.
Steuerrecht
ist Wirtschaftsrecht. Wir Deutsche stehen mit unserer Unternehmensbesteuerung
im internationalen Wettbewerb. Wer das Unternehmenssteuerrecht zu Lasten der
Wirtschaft verändert, darf sich nicht wundern, wenn die deutsche Wirtschaft
international nur noch auf der Außenbahn hinterher läuft. Vor allem die von der
Bundesregierung geplante Mindestbesteuerung, die Einschränkungen bei der
steuerlichen Organschaft und die Einschnitte bei der steuerlichen
Berücksichtigung von Verlusten treffen die Wirtschaft empfindlich. Dies gilt in
besonderem Maße für Mittel- und Ostdeutschland und allemal für Sachsen-Anhalt.
Anrede,
die Landesregierung unternimmt alle Anstrengungen, Unternehmensgründungen und
Investitionen in Sachsen-Anhalt zu fördern und zu forcieren. Wenn wir die
Bereitschaft zur unternehmerischen Initiative unterstützen wollen, dann ist es
alles andere als hilfreich, die Anlaufschwierigkeiten von Existenzgründern
durch die Einführung einer Mindestbesteuerung zu vergrößern. Junge Unternehmen
können dann die Verluste, die in der schwierigen innovativen Anfangsphase anfallen,
in späteren Jahren nicht mehr in vollem Umfang ausgleichen. Und wir wissen
doch, dass gerade in Mittel- und Ostdeutschland die Startphasen für junge
Unternehmen besonders schwierig sind, weil es noch an kräftig wachsenden industriellen
Ballungsräumen fehlt, die für ortsnahen Umsatz und Nachfrage sorgen. Die
Bundesregierung wirft mit diesem Steuergesetz jungen Unternehmen in Mittel- und
Ostdeutschland Knüppel zwischen die Beine. Dies wird diese Landesregierung
nicht mitmachen.
Die
vorgesehene Einschränkung der Verlustanrechnung macht es auch unattraktiv,
Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu übernehmen und weiterzuführen.
Wir haben in Sachsen-Anhalt viele Unternehmen mit wirtschaftlichen
Schwierigkeiten. Mit diesem Gesetzentwurf wird die Bundesregierung die Zahl der
Insolvenzen in den neuen Ländern weiter nach oben treiben, weil es nicht mehr
interessant sein wird, hier ansässige Unternehmen zu sanieren und aus der
Verlustzone herauszuführen. Das kostet Arbeitsplätze, und dies werden wir als
Landesregierung nicht hinnehmen.
Der
Gesetzentwurf der Bundesregierung enthält schließlich auch Änderungen bei der
Gewerbesteuer, die sich für Sachsen-Anhalt und die anderen mittel- und ostdeutschen
Länder als äußerst nachteilig erweisen könnten. Es geht vor allem um das
geplante Abschaffen der sog. gewerbesteuerlichen Organschaft. Wichtig ist dies
bei Unternehmen mit Sitz in den alten, aber Produktionsstätten in den neuen
Ländern, und davon gibt es eine ganze Menge. Die Neuregelung könnte dazu
führen, dass bei solchen Unternehmen die Gewerbesteuer nur noch dem Sitz des
Unternehmens zugerechnet wird, also den alten und nicht den neuen Ländern. Auch
an dieser Stelle wird die Landesregierung Sachsen-Anhalts nicht mitmachen.
Im übrigen
nimmt dieser Teil des Gesetzesentwurfs Elemente einer Reform der
Kommunalfinanzen vorweg. Dies ist äußerst schlechter politischer Stil: Während
sich noch Expertenkommissionen über die Ausgestaltung einer Reform der
Kommunalfinanzen Gedanken machen, erklärt die Bundesregierung die Diskussion
jedenfalls teilweise für beendet. Ein solches Vorgehen wird der Bedeutung der
Kommunalfinanzreform für Länder und Kommunen nicht gerecht, wir lehnen es ab.
Anrede,
die gegenwärtige Steuerdebatte erfordert es, dass ich noch einige Sätze zur
Vermögensteuer verliere. Es soll ja Sozialdemokraten und Grüne in Bund und
Ländern geben, die eine solche Wiedereinführung befürworten. Zumindest liest
man davon in der Presse. Die Herren Müntefering, Gabriel und der verehrte sozialdemokratische
Fraktionsvorsitzende in diesem Hohen Haus, Herr Dr. Püchel, haben sich
angeblich so geäußert. Der Bundeskanzler ist wohl anderer Meinung, aber, meine
sehr geehrten Damen und Herren, was zählt derzeit schon die Meinung des
Bundeskanzlers. Wir jedenfalls, die wir keine Sozialdemokraten oder gar Grüne
sind, wir warten gespannt auf das nächste Machtwort des Kanzlers in dieser Frage.
Wie dem
auch sei, die bundesweite Wiedereinführung der Vermögensteuer ist der
grundfalsche Weg. Die Vermögensteuer zieht nicht nur einen unvertretbaren
Verwaltungsaufwand nach sich. Sie ist auch ungerecht. Wer heute einem Spitzensteuersatz
bei der Einkommensteuer in Höhe von 48,5 % zzgl. einem Solidaritätszuschlag in
Höhe von 5,5 % (auf den 48,5 % entsprechenden Betrag) unterliegt, zahlt heute
in der Spitze auf 100 Euro Einkommen ca. 51 Euro Steuern, ggf. zusätzlich noch
Kirchensteuer. Im Einkommensteuerrecht gilt zu Recht das Prinzip, dass
derjenige, der viel verdient, auch verhältnismäßig mehr Steuern zu zahlen hat.
Ungerecht wäre es aber, die im Beispiel verbleibenden knapp 49 Euro, soweit sie
nicht konsumiert wurden und daher Vermögen des Steuerpflichtigen geworden sind,
nun noch einmal zu besteuern. Im übrigen erfolgt ja heute bereits eine
Besteuerung des Vermögens, und zwar beim Übergang zwischen den Generationen bei
der Erbschaft- und Schenkungsteuer; und der Wegfall der Vermögensteuer wurde
seinerzeit durch einen stärkeren Zugriff bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer
kompensiert.
Kurzum: Die
Wiedereinführung der Vermögensteuer läuft darauf hinaus, gesparte
Einkommensteile drei Mal zu besteuern ¿ und das in einer Zeit, in der die Sicherung
der Altersversorgung eines der zentralen Probleme unserer Gesellschaft ist. Und
das soll dann eine soziale Errungenschaft sein? Gerade dann, wenn die
Vermögensteuer fiskalisch ein hohes Aufkommen erbringen soll, wird sie zwangsläufig
den breiten Mittelstand ¿ und nicht nur wenige Großverdiener ¿ betreffen
müssen. Sozial gerecht ist das nicht.
Es
verschlägt einem deshalb wirklich die Sprache, mit welcher Unverfrorenheit
sozialdemokratische und grüne Politiker eine solche Politik der Öffentlichkeit
präsentieren ¿ wenige Tage und Wochen nach einem Bundestagswahlkampf, in dem
von Steuererhöhungen keine Rede war und in dem vor allem die Grünen sich als
das finanzpolitische Gewissen der Koalition präsentierten, und dafür viele
Stimmen erhielten. Und es ist unseriös, wenn dann noch die Wiedereinführung der
Vermögensteuer als notwendige Bedingung dargestellt wird, um Bildungsausgaben
zu finanzieren. Jeder weiß: Die Vermögensteuer fließt wie alle Steuern in einen
großen Topf, aus dem nach politischer Prioritätensetzung Aufgaben finanziert
werden. Die Zukunft der Bildung entscheidet sich nach diesen Prioritäten ¿ und
nicht nach der Einführung einer zusätzlichen Steuer.
Anrede,
der Wegfall der
Vermögensteuer auf Betriebsvermögen bedeutete seinerzeit einen wichtigen Impuls
für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Die Vermögensteuer musste aus
versteuertem Einkommen entrichtet werden, in ertragsschwachen oder sogar
Verlustjahren aus der Substanz. Durch die Verringerung der Ertrags- sowie der
Liquiditätsbasis wird gerade die in der Existenzgründungsphase wichtige
Ansammlung von Eigenkapital drastisch erschwert. Eine Steuer, die allein daran
ansetzt, dass Kapital vorhanden ist, wirkt nicht nur technologie- und
innovationsfeindlich, sondern gefährdet auch Arbeitsplätze.
Dies gilt
vor allem auch für die mittel- und ostdeutschen Länder, und allemal für
Sachsen-Anhalt. Hierzulande gibt es noch gar keine großen Vermögen, die zu
besteuern wären. Und die mittelständischen Unternehmer, die Handwerker und
Dienstleister, die haben mit großem Einsatz in den schwierigen letzten Jahren
ein vernünftiges Betriebsvermögen aufgebaut, das gerade mal reicht, um
wirtschaftlich über die Runden zu kommen. Dieses Kapital jetzt mit einer
Vermögensteuer anzugreifen heißt die Eigenkapitalbasis zu gefährden und
Existenzen zu ruinieren. Und es heißt, den Menschen die Motivation zu nehmen,
ihr wirtschaftliches Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen.
Diese
Landesregierung wird deshalb einer bundesweiten Wiedereinführung der
Vermögensteuer nicht zustimmen, gerade auch im Interesse unseres Landes
Sachsen-Anhalt. Sie wird allerdings auch nicht im Wege stehen, wenn andere
Bundesländer meinen, ihren Bürgern eine Vermögensteuer zumuten zu sollen. Es
liegt im Interesse eines funktionsfähigen Föderalismus, dass Bundesländer, die
von Rot-Grün regiert werden, ihre standortpolitischen Vorstellungen durch
Einführung einer Vermögensteuer als Landessteuer durchsetzen können. Der entsprechende
Weg wird mit Zustimmung Sachsen-Anhalts im Bundesrat in der nächsten Woche rechtlich
geebnet. Es wird sich denn zeigen, wie viel Zutrauen die Ministerpräsidenten
der SPD in ihre eigene standortpolitische Analyse haben. Sachsen-Anhalt
jedenfalls wird keine Vermögensteuer einführen. Sachsen-Anhalt wird das
bleiben, wofür diese Landesregierung steht: für ein wirtschaftsfreundliches
Klima, das Investitionen, Kapitalbildung und neue Arbeitsplätze in unserem Land
willkommen heißt ¿ und nicht mit vermeidbaren Abgaben belastet.
Vielen Dank
für Ihre Aufmerksamkeit.
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