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Pressemitteilungen der Ministerien

Redebeitrag von Innenminister Dr. Manfred Püchel zum Entwurf eines ersten Vorschaltgesetzes zur Kommunalreform

12.10.2000, Magdeburg – 128

  • Ministerium für Inneres und Sport

 

 

 

Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 128/00

 

Magdeburg, den 12. Oktober 2000

 

 

Redebeitrag von Innenminister Dr. Manfred Püchel zum Entwurf eines ersten Vorschaltgesetzes zur Kommunalreform

TOP. 6 der Landtagssitzung vom 12./13.10.2000

 

" Mir geht es, wie der Landesregierung insgesamt, um starke Gemeinden im Land und für das Land. Ich bin der festen überzeugung, dass wir dieses Ziel erreichen müssen. Denn es geht um die Fortentwicklung unseres Landes.

 

Eine landesweite Diskussion über die Erfordernisse und die Grundrichtungen der Weiterentwicklung der Gemeindestruktur im Land hat begonnen. Darüber bin ich froh. Sie verhilft dem Land zu einer neuen Dynamik.

 

Uns geht es nicht darum, Dörfer zu beseitigen oder gesichtslos zu machen oder den Menschen ihre Identität zu nehmen. Dörfer bleiben Dörfer und Kleinstädte bleiben Kleinstädte. Aber wir wollen leistungsstarke Verwaltungseinheiten auf unterer kommunaler Ebene schaffen.

 

Unsere Dörfer und Städte haben eine lange Geschichte. Aber Dorf ist nicht gleich Gemeinde. Dorf und Stadt sind die Orte, wo die Menschen leben. Gemeinden sind die Organisationseinheiten zur Wahrnehmung der örtlichen Angelegenheiten durch die Bürger wie durch ihre gewählten Organe.

 

Das Argument, Bürger hätten genug von Veränderungen, scheint mir vorgeschoben. Der Bürger erwartet vor allem eine qualitativ hochwertige und schnelle Verwaltung und weiterhin den Ansprechpartner "vor Ort". Das gerade wollen wir mit den Ortsbürgermeistern bzw.Ortsvorstehern und den Ortschaftsräten erreichen.

 

Oft wird mir gesagt, nach einem Zusammenschluss, könne man nicht mehr selbst entscheiden. Gehen wir ehrlich miteinander um!

 

Was wird in den kleinen Gemeinden wirklich entschieden?

über Abwasserentsorgung entscheidet meist der Zweckverband.

Meist gibt es keine Grundschule mehr. Bei rückläufigen Kinderzahlen und Kostendruck rechnet sich auch eine Kita nicht mehr. Und bei Straßenunterhaltung und -ausbau stehen kaum noch Mittel zur Verfügung.

 

Um es deutlich zu sagen: In vielen Fällen besteht für die Gemeinde gar kein Handlungs- und Entscheidungsspielraum in gemeindlichen Selbstverwaltungsaufgaben mehr.

 

Ich fasse zusammen:

Wir brauchen die Reform und wir haben zukunftsweisende Vorstellungen!

Voraussetzung für den Erfolg ist, dass man in den Städten, Gemeinden und ämtern die derzeitige Situation analysiert, Schwachpunkte erkennt, eingesteht und der Reform unvoreingenommen begegnet.

 

Ich appelliere an Sie, helfen Sie mit und tragen Sie zum Gelingen der Struktur bei. überzeugungshilfe und praktische Hilfe sind gefragt. Es geht um unser Land, dass wir zum Wohle unserer Bürger stärken wollen, und dies geht nicht ohne starke Gemeinden. "

 

Anrede,

diese Worte könnten von mir stammen. Tun es aber nicht. Sie sind Auszüge aus einer Rede, die mein Kollege Schönbohm kürzlich gehalten hat, als er die Kommunalreform in Brandenburg verteidigte. Kollege Schönbohm verfolgt mit seinen im Juli vorgelegten Leitlinien einen fast identischen Weg wie wir. Deshalb: Schauen Sie nach Brandenburg, meine Damen und Herren von der CDU, unterhalten sich mit Herrn Schönbohm, lassen Sie sich ¿ wenn Sie mir nicht glauben wollen - dort beraten und legen Sie Ihre parteipolitisch motivierten Scheuklappen gegen die Kommunalreform in Sachsen-Anhalt ab.

 

Anrede,

in unserem Land ist eine Entwicklung in Gang gekommen, deren Dynamik viele überrascht hat, zugegebenermaßen mich auch. Waren anfangs noch überwiegend ablehnende oder skeptische Stimmen zu vernehmen, so können wir heute feststellen, dass meistens nicht mehr das "Ob" sondern im Wesentlichen nur noch das "Wie" einer Kommunalreform diskutiert wird.

 

Dies ist ein echter Fortschritt und dürfte auch mit der um sich greifenden Erkenntnis zusammenhängen, dass am Ende derjenige, der sich nicht selbst bewegt, die vielfältigen Gestaltungs-, Mitwirkungs- und Einflussmöglichkeiten für die zukünftige Entwicklung seiner Gemeinde oder Stadt aufgibt.

 

Eine Erkenntnis, die fast alle kommunalpolitisch Interessierten und Aktiven gewonnen haben. Die unterstützt wird von vielen Kommunalpolitikern vor Ort, gleich welcher politischen Couleur. Eine Erkenntnis, die mitgetragen wird von beiden kommunalen Spitzenverbänden.

 

Das ganze Land ist in Bewegung - mit einer Ausnahme: der Landes-CDU. Jüngsten Pressemeldungen zufolge entpuppt sich ihre Führung als Totalverweigerer, die mit einem monotonen "Nein" nahezu als einzige im Lande die Notwendigkeit einer kommunalen Gebietsreform nicht einsehen will oder kann. Weil man glaubt, mit der dieser Haltung Wahlen gewinnen zu können.

 

Ihr trotzig ausgegebener Schlachtruf in der MZ, Herr Kollege Becker, "Wir brauchen keine kommunale Gebietsreform" dokumentiert eine für mich nicht nachvollziehbare Einstellung einer Partei mit starker kommunaler Verankerung, die weder Ihnen noch unserem Lande zum Nutzen gereichen wird.

 

Sie stehen an einem Bahnhof und kurbeln am Stop-Signal, obwohl der Reformzug schon seit Wochen und Monaten voll besetzt - auch mit vielen wichtigen und kompetenten Kommunalpolitikern aus der CDU - abgefahren ist. Zeitweilig hatte zumindest ich noch den Eindruck, dass Sie die Reiseroute des Reformzuges konstruktiv mitgestalten wollten. Aber offensichtlich hat sich die Landes-CDU bereits an der Fahrkartenausgabe untereinander zerstritten, wohin sie eigentlich will und wer den Kurs bestimmt.

 

Ich verstehe nicht, Herr Becker, warum Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen gerade das verweigern wollen, was Sie selbst betrieben haben. An der Entstehung des leitbildgerechten Burgenlandkreises waren Sie maßgeblich beteiligt. Sie haben Eingemeindungen vorgenommen. Sie haben keine Verwaltungsgemeinschaft nach dem Trägergemeindemodell gebildet. Und nun sind große Kreise und starke Einheitsgemeinden Teufelswerk. Warum gönnen Sie es den anderen nicht, Ihnen nachzueifern.

 

Anrede,

ich möchte es Ihnen und mir ersparen, noch einmal dezidiert die zwingenden Gründe für eine Kommunalreform darzulegen. Das habe ich in den vergangenen Monaten bereits mehrfach getan. Diese Gründe haben nach wie vor Gültigkeit und sie bestehen vergleichbar auch in anderen ostdeutschen Ländern.

 

Anrede,

bei kaum einem anderen Thema gehen die Emotionen so hoch, wie in Fragen der Kommunalstruktur. Bürgerschaftliches Engagement, Teilnahme an politischen Prozessen, emotionale Bindungen und geschichtliche Erfahrungen sind direkt mit dem unmittelbaren Lebensumfeld, der Gemeinde, verbunden.

 

Gerade das wollen auch wir fördern. Uns geht es nicht darum, Dörfer zu beseitigen oder gesichtslos zu machen oder den Menschen ihre Identität zu nehmen. Dörfer bleiben Dörfer und Städte bleiben Städte; aber wir wollen und müssen leistungsstarke Verwaltungseinheiten auf der kommunalen Ebene schaffen.

 

In einer Vielzahl von Diskussionsrunden im Land mit den Menschen vor Ort konnte ich allerdings auch erfahren, dass vom Land inhaltliche Begleitmaßnahmen erwartet werden. Die handelnden Personen vor Ort benötigen einen Orientierungsrahmen und erwarten zu Recht Regelungen, die zur Flankierung einer derartigen Kommunalreform erforderlich sind.

 

Dieser Erwartungshaltung werden wir heute mit der abschließenden Beratung des Ersten Vorschaltgesetzes zur Kommunalreform gerecht. Ich freue mich, dass wir in diesem Haus nach zügiger und intensiver Beratung zum Abschluss eines ersten großen Schrittes zur Stärkung der Verwaltungskraft in unserem Lande kommen.

 

Mit dem heutigen Beschluss wird auch vom Gesetzgeber das weithin hörbare Startsignal für eine umfassende Reform unseres Landes gegeben. Dafür danke ich allen an den Ausschussberatungen beteiligten Personen.

 

Der heute zu beschließende Gesetzentwurf ist ausgewogen. Er überfordert die Kommunen nicht, sondern gewährt ihnen die Rechte, die erforderlich sind, um die örtliche Identität und Interessenwahrung nicht zu verlieren.

 

Wichtig für den Reformprozeß ist einerseits die Festschreibung von Genehmigungskriterien für die Bildung von Einheitsgemeinden, die einigungswilligen Kommunen den notwendigen Orientierungsrahmen an die Hand geben. Andererseits werden damit aber eventuell notwendige staatliche Korrekturen mit Blick auf möglichst tragfähige und landesweit vergleichbare Strukturen nicht ausgeschlossen.

 

Insoweit konnte der von den kommunalen Spitzenverbänden geforderten Rechtspflicht zur Genehmigung bei Vorliegen der Voraussetzungen nicht entsprochen werden. Denn auch die beiden im Ausschuß zum Vorschaltgesetz angehörten Gutachter bestätigten, dass es aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zulässig ist, die Kommunalaufsichtsbehörden bei ihrer Genehmigungsentscheidung an bestimmte Kriterien zu binden und eventuell anderweitige, für die Genehmigung aber wichtige Aspekte per se auszuschließen.

 

Ein ganz wesentlicher Punkt ist die im Ausschuß erfolgte weitere Stärkung der Ortschaftsverfassung, der Abschnitt im Gesetzentwurf der Landesregierung, der die meisten änderungen erfahren hat. Die darin nunmehr enthaltenen Regelungen, wie die Einführung des Teilnahmerechts der Ortschaftsräte auch an nichtöffentlichen Sitzungen des Gemeinderates und seiner Ausschüsse in Ortschaftsangelegenheiten oder die erhebliche Erweiterung der Ortschaftsaufgaben nebst zwingenden Mittelzuweisungen werden zur Beseitigung potentieller ängste vor einem Verlust der Selbstgestaltungsrechte und Einflussmöglichkeiten in der künftigen Einheitsgemeinde beitragen.

 

Nach dem Regierungsentwurf war zunächst die Möglichkeit des freiwilligen Zusammenschlusses auch auf der Kreisebene mittels Vereinbarung vorgesehen. Die Ausschüsse sind nunmehr zu dem Ergebnis gekommen, dass dazu anstelle einer staatlichen Genehmigung, ein abschließender Notifizierungsakt der Vereinbarung durch den Gesetzgeber erforderlich ist.

 

Das heute zu verabschiedende Vorschaltgesetz trägt in besonderem Maße der Förderung des gegenseitigen Vertrauens der Kommunen bei der Zusammenführung von Körperschaften, Rechnung. Dies ist gerade in einer freiwilligen Findungsphase von elementarer Bedeutung.

 

Anrede,

ich danke den Ausschüssen auch für die Aufnahme meiner Anregung, durch eine änderung des Kommunalwahlgesetzes bei den anstehenden Wahlen zu den Bürgermeistern und Landräten 2001 sogenannte Jux- und Spaßkandidaturen möglichst auszuschließen.

 

Ich komme zum Abschluß. Der dringende Reformbedarf auf der kommunalen Ebene wird heute von keinem Fachkundigen mehr negiert. Den trotzigen Zauderern und Reformverweigerern in der CDU kann ich nur empfehlen, sich nicht der Realität zu verschließen. Hören Sie auf Ihre kompetenten Kommunalpolitiker vor Ort! Gestalten Sie den notwendigen Reformprozeß im Interesse der Menschen unseres Landes konstruktiv mit ! Und schimpfen Sie dem bereits abgefahrenen Zug der Kommunalreform nicht hinterher, sondern nutzen Sie die nächste Chance zur gestaltenden Mitreise, anstatt auf dem Abstellgleis der Entwicklung einzurosten.

 

 

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