Pressemitteilungen der Ministerien
Anstieg politisch motivierter Straftaten im Europa- und Kommunalwahljahr 2019
07.04.2020, Magdeburg – 157
- Staatskanzlei und Ministerium für Kultur
Innenminister
Stahlknecht stellt Bilanz vor
Holger
Stahlknecht, Minister für Inneres und Sport, hat heute die Bilanz zur politisch
motivierten Kriminalität (PMK) für das Jahr 2019 vorgestellt.
Kernaussagen
der PMK:
-
Anstieg der Gesamtfallzahlen der politisch motivierten Kriminalität im Europa-
und Kommunalwahljahr 2019
-
Anstieg der links- und rechtsorientierten Straftaten
Innenminister
Holger Stahlknecht:
?Der
Rechtsextremismus gewinnt in Deutschland wieder an Bedeutung. Diese Entwicklung
ist nicht erst seit dem Anschlag in Halle erkennbar und sie bereitet mir Sorge.
Dieser Anschlag hat uns allen sehr schmerzhaft gezeigt, das Unvorstellbares
plötzlich vorstellbar wurde. Er stellte gleichsam eine Zäsur dar, nicht nur für
Sachsen-Anhalt. Wir alle stehen noch immer unter dem Eindruck dieser
gleichermaßen unfassbaren wie abscheulichen Tat.?
1.
Gesamtzahlen
Im
Jahr 2019 wurden in Sachsen-Anhalt 2.232 politisch motivierte Straftaten
registriert. Die Zahl aller politisch motivierten Straftaten ist damit um 386
Straftaten deutlich gestiegen (+20,9 %). Ursächlich für den Anstieg ist zum
einen die große Zahl politisch motivierter Straftaten, die im Zusammenhang mit
den Europa- und Kommunalwahlen stehen, zum anderen der signifikante Anstieg der
Sachbeschädigungen (+139 Straftaten; + 42,6 %).
2.
Aufklärungsquote
Im
Jahr 2019 wurde eine im Vergleich zum Vorjahr (49,3 %) niedrigere
Aufklärungsquote von 43,2 Prozent erreicht. Ausschlaggebend für das aktuelle
Gesamtergebnis sind die hohen Fallzahlen bei Sachbeschädigungen und
Propagandastraftaten. Erfreulich dabei und somit deutlich hervorzuheben ist,
dass die Aufklärungsquote bei politisch motivierten Gewaltdelikten für 2019
erheblich über der Gesamtaufklärungsquote der PMK lag. Von den 150
registrierten Gewaltstraftaten konnten 99 aufgeklärt werden. Dies entspricht
einer Aufklärungsquote von insgesamt 66,0 Prozent. Bei den rechten Gewalttaten
lag die Aufklärungsquote 2019 bei 81,1 Prozent.
3.
Entwicklung der einzelnen
Deliktbereiche
3.1
Straftaten rechtsmotiviert
Die
Gesamtzahl ist im Vergleich zum Vorjahr um 120 Straftaten auf 1.441 gestiegen
(2018: 1.321; +9,1 %). Als Grund für diesen Anstieg können in erster Linie die
weiterhin hohen Fallzahlen im Bereich der Propagandastraftaten wie das
Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Form
öffentlichkeitswirksamer Parolen mit 1.056 erfassten Fällen in 2019 gegenüber
923 registrierten Fällen in 2018 (+133 Straftaten, +14,4 %) und
Volksverhetzungen mit 116 erfassten Fällen in 2019 gegenüber 90 registrierten
Fällen in 2018 (+26 Straftaten, +28,9 %) angeführt werden.
3.2
Straftaten linksmotiviert
Bei
den Straftaten mit linker Tatmotivation war im Jahr 2019 ebenfalls ein
deutlicher Anstieg um zu verzeichnen. Die Zahl der registrierten Fälle der
stieg von 2018 mit 280 erfassten Delikten um 138 Straftaten (+49,3 %) auf 418
Fälle in 2019. Im Interesse linker Straftäter steht dabei nach wie vor die
Auseinandersetzung mit Personen des erklärten politischen Gegners. Die direkte
Konfrontation mit tatsächlich oder als rechtsgerichtet wahrgenommenen Personen
zog dabei fast doppelt so viele Straftaten nach sich (+120 Straftaten, +97,6 %)
wie noch im Jahr 2018. Ein weiterer Grund für den Anstieg linksmotivierter
Straftaten ist die Zunahme von Sachbeschädigungen, vorrangig in Magdeburg und
Halle. Im Jahr 2019 wurden 233 links motivierte Sachbeschädigungen erfasst (+36
Straftaten, +18,3%). In 2018 wurden dagegen 197 derartige Straftaten
registriert.
3.3
Straftaten bei Versammlungen
Die
Zahl der Straftaten im Zusammenhang mit versammlungsrechtlichen Ereignissen ist
gegenüber dem Jahr 2018 um 34 Straftaten (+ 27,7 Prozent) deutlich angestiegen
(2018: 122 Straftaten; 2019: 156 Straftaten). Dabei wurden 56,4 Prozent aller
versammlungsrechtlichen Verstöße an nur zwei Tagen begangen. Zum einen am 19.
Januar 2019 anlässlich des Jahrestages der Bombardierung Magdeburgs und zum
anderen am 20. Juli 2019 im Zusammenhang mit einer Veranstaltung der
Identitären Bewegung in Halle (Saale).
3.3
Straftaten mit religiöser Ideologie
Dieser
im Jahr 2017 eingeführte Phänomenbereich dient der gesonderten Erfassung von
politisch motivierter Kriminalität, die aus religiöser Motivation heraus
begangen wurde. Im Wesentlichen sind hier Straftaten abgebildet, die im
Zusammenhang mit dem islamistischen Terrorismus stehen. Im Jahr 2019 wurden in
Sachsen-Anhalt sechs Straftaten mit religiöser Tatmotivation registriert (2018:
18 Straftaten). Zumeist stand der Verdacht der Mitgliedschaft in einer
terroristischen Organisation, wie z. B. dem sogenannten Islamischen Staat, im
Raum.
3.4
Straftaten mit ausländischer Ideologie
Die
Straftaten der politisch motivierten Ausländerkriminalität, welche keinen
religiösen Bezug erkennen lassen, werden seit dem Jahr 2017 in dem ebenfalls
neu eingeführten Phänomenbereich -ausländische Ideologie- erfasst. Mit einem
Anteil von 0,5 Prozent (2019: 10 Straftaten; 2018: 11 Straftaten) an der
gesamten PMK spielt die Zahl dieser Straftaten auch im Jahr 2019 eine
quantitativ untergeordnete Rolle. Hier sind i. d. R. Straftaten abgebildet, die
im Zusammenhang mit dem Konflikt zwischen den Kurden bzw. der PKK und der
Türkei stehen.
3.5
Straftaten, die keinem konkreten Phänomenbereich zugeordnet werden können
Im
Jahr 2019 wurden hier 287 Straftaten registriert, die zwar eine politische
Motivation erkennen ließen, jedoch keinem konkreten Phänomenbereich zugeordnet
werden konnten. Dies entspricht im Vergleich zum Vorjahr einem Anstieg um 127
Fälle (2018: 160 Straftaten; + 79,4 %). Diese Entwicklung basiert auf den sehr
hohen Fallzahlen, die im Kontext der Europa- und Kommunalwahlen im Jahr 2019
begangen wurden.
3.6
Staatsschutzdelikte ohne explizite politische Motivation
Die
Anzahl der Straftaten, bei denen keine politische Motivation zugrunde lag (z.
B. Taten von Kindern), ist im Jahr 2019 um 14 auf 70 Straftaten angestiegen
(2018: 56 Fälle).
3.7
Gewaltkriminalität
Im
Jahr 2019 wurden erstmals seit dem Jahr 2015 wieder steigende Fallzahlen der
Gewaltstraftaten um +12,8 Prozent festgestellt (+17 Straftaten). Insgesamt
wurden 150 politisch motivierte Gewaltstraftaten in 2019 erfasst (2018: 130
Fälle). Deliktisch ist dies überwiegend den deutlich höheren Fallzahlen bei
linksmotivierten Körperverletzungen (+ 17 Straftaten; + 121,4 %) und
Widerstandshandlungen (+ 15 Straftaten) zuzuschreiben. Bei der Betrachtung der
Phänomenbereiche fällt auf, dass rechtsmotivierte Gewaltstraftaten demgegenüber
um 19,6 Prozent (-18 Straftaten) gesunken sind. In den anderen
Phänomenbereichen spielen Gewaltstraftaten eine nur untergeordnete Rolle.
In
den Bereich der politisch motivierten Gewaltkriminalität sind neben dem
rechtsextremistischen Anschlag vom 09.10.2019 in Halle auch zwei Ereignisse
zuordnen, die nach gegenwärtigem Stand der noch laufenden Ermittlungen als
linksmotivierte Gewaltkriminalität, in der PMK 2019 erfasst sind. Hierbei
handelt es sich um einen Überfall auf ehemalige Demonstrationsteilnehmer am
Bahnhof in Dessau-Roßlau am 19.01.2019 sowie einen Brandanschlag vom 28.07.2019
in Arendsee.
3.8
Straftaten mit fremdenfeindlicher und antisemitischer Tatmotivation
Nach
den angestiegenen Straftaten mit fremdenfeindlicher Tatmotivation im Jahr 2018
sind im Jahr 2019 wieder leicht rückläufige Fallzahlen zu beobachten gewesen
(-13 Straftaten, -3,7 %). Wurden 2018 insgesamt noch 348 Straftaten mit
fremdenfeindlicher Tatmotivation erfasst, waren es 2019 dagegen insgesamt 335
erfasste Fälle. Fremdenfeindliche Straftaten tragen unverändert den Charakter
einer ablehnenden Haltung gegenüber Menschen anderer Kulturen und deren
Herkunft und äußerten sich zumeist als Volksverhetzungen/Beleidigungen (202
Straftaten) oder Körperverletzungen (56 Straftaten). Der Anteil der
Gewaltdelikte innerhalb der fremdenfeindlichen Straftaten ist mit 17,6 Prozent
nahezu dreimal so hoch wie der Anteil bei der übrigen politisch motivierten
Kriminalität (6,7 %) und verdeutlicht das Gefahrenpotential dieser Straftaten.
Straftaten
mit antisemitischer Tatmotivation sind im Jahr 2019 um acht Straftaten (+12,9
%) im Vergleich zum Vorjahr gestiegen (2018: 62 Straftaten; 2019: 70
Straftaten). Diese äußerten sich überwiegend als Volksverhetzungen (40
Straftaten), Propagandadelikte (15 Straftaten) und Beleidigungen (9
Straftaten). Etwa ein Fünftel (21,4 %) der Straftaten wurden im Internet
begangen.
3.9
Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger sowie
Parteirepräsentanten
Straftaten
gegen Amts- und Mandatsträger sowie Parteirepräsentanten/-mitglieder werden
seit 2016 in der Statistik der politisch motivierten Kriminalität erfasst. In
diesem Bereich wurden 2019 insgesamt 64 Straftaten erfasst (2018: 52
Straftaten). Diese Delikte wurden im Jahr 2019 im Wesentlichen in Form von
Beleidigungen/Bedrohungen (34 Straftaten) und Sachbeschädigungen (11
Straftaten) begangen, wobei ca. ein Drittel der Beleidigungen im Internet
erfolgte. Bei den Sachbeschädigungen handelt es sich zumeist um
Farbschmierereien. Die überwiegende Anzahl der Straftaten in diesem Bereich
richteten sich mit 49 Prozent gegen Personen mit der Parteizugehörigkeit der
AfD, gefolgt von 22 Prozent gegen Personen der CDU und 9 Prozent gegen Personen
der Partei Bündnis 90/DIE Grünen.
3.10
Straftaten gegen Parteibüros/Parteieinrichtungen
Politisch
motivierte Straftaten gegen Parteibüros / Parteieinrichtungen werden nahezu
ausschließlich in Form von Sachbeschädigungen begangen. Die Begehungsweisen
reichen hierbei vom Einwerfen von Fensterscheiben, Farbschmierereien an
Fassaden und Schaufensterscheiben bis zum Zerstören von Briefkästen mit
Pyrotechnik. Hier wurden 2019 insgesamt 34 Straftaten registriert (2018: 44
Straftaten). In diesem Bereich richteten sich 64 Prozent der Straftaten
vorrangig gegen Objekte der AfD. 12 Prozent der Straftaten betrafen 2019
Objekte der Partei Bündnis 90/DIE Grünen und neun Prozent Objekte der Partei
Die LINKE.
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