Menu
menu

Pressemitteilungen der Ministerien

Redebeitrag von Innenminister Klaus Jeziorsky zum Antrag der Fraktion der SPD über kreisübergreifende Zusammenschlüsse

15.11.2002, Magdeburg – 198

  • Ministerium für Inneres und Sport

 

 

 

 

Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 198/02

 

 

 

 

 

Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 198/02

 

Magdeburg, den 15. November 2002

 

Es gilt das gesprochene Wort!!!

 

Redebeitrag von Innenminister Klaus Jeziorsky zum Antrag der Fraktion der SPD über kreisübergreifende Zusammenschlüsse

TOP 10 der Landtagssitzung am 14.11.02

Anrede,

der von der SPD-Fraktion vorgelegte Antrag versucht den Eindruck zu erwecken, als ob die Handlungsweise der Landesregierung bei beabsichtigten Gemeindezusammenschlüssen, die Kreisgrenzen überschreiten, nicht rechtmäßig sei. Dies ist unzutreffend.

Wir alle kennen die Fälle, die diesem Antrag zugrunde liegen und ich freue mich, hier einige grundlegende Aussagen zu diesen Fällen und damit auch zum Fortgang der Kommunalreform in unserem Land machen zu können. Wie allgemein bekannt hat die Landesregierung und die sie tragende Koalition vereinbart, die Reformvorhaben auf eine völlig neue Basis zu stellen.

Wir wollen auf staatlichen Zwang verzichten, die Bürgerinnen und Bürger in unseren Kommunen sollen nicht in Strukturen gezwungen werden, die sie erst im Laufe des Verfahrens kennen lernen, wie es die alte Landesregierung mit dem überstülpen der Verbandsgemeinde im laufenden Reformvorhaben getan hat. Dies hätte mehr als 1.000 Gemeinden im Land - nämlich all denen, die weniger als 1.000 Einwohner haben, die Existenz zerschlagen.

Derartige Vorgehensweisen lehnen wir ab. Unser Prinzip heißt Freiwilligkeit . Wir lehnen bei Gebietszusammenschlüssen Zwang gegenüber jeder beteiligten Kommune so lange ab, wie deren dauerhafte fehlende Leistungsunfähigkeit nicht festgestellt wurde. Dies ist klare Aussage unseres Koalitionsvertrages, daran halten wir fest.

Wir wenden uns dagegen, dass kommunale Gebietskörperschaften als Träger der kommunalen Selbstverwaltung um ihre Selbstbestimmung gebracht werden. Die kommunale Selbstverwaltung ist ein Verfassungsgut und kennt mit Gemeinden und Landkreisen verschiedene Träger.

An diesem Punkt ist der Irrtum festzumachen, dem die SPD-Fraktion mit ihrem Antrag unterliegt. Sie verkennt nämlich, dass bei den aktuellen Wünschen nach kreisgrenzenüberschreitenden Gemeindezusammenschlüssen auch die Selbstverwaltungskörperschaft mit ihren Interessen in die Prüfung des öffentlichen Wohls einzubeziehen ist. Das öffentliche Wohl ist nämlich die Grundbedingung für jegliche Gebietsänderung, auch für die freiwillige. Sicherlich wird man das öffentliche Wohl leichter feststellen können, wenn alle Selbstverwaltungsträger dem änderungswunsch zustimmen.

Dies ist in den der Landesregierung bekannten Fällen jedoch nicht so. Im Gegenteil: Zumindest jeweils eine der beteiligten Kommunen sieht ihre Interessen nachhaltig betroffen und wehrt sich gegen den Eingriff. In dieser Situation ist es die Aufgabe des Landes, das öffentliche Wohl zu ermitteln.

Ich möchte dies einmal exemplarisch an dem in den Medien ausführlich behandelten Fall der Gemeinde Gübs darstellen, die nach dem Wunsch einiger Beteiligter aus dem Landkreis Jerichower Land ausgegliedert und in die Stadt Magdeburg eingemeindet werden soll. Gegen den von der Stadt Magdeburg gewünschten Wechsel wendet sich der Landkreis. Der Wille der Gemeinde Gübs selbst ist zur Zeit nicht hinreichend erkennbar, da das einst ermittelte Bürgervotum auf einer ganz anderen Geschäftsgrundlage beruhte.

Es stand zum Zeitpunkt der Abstimmung für die Gemeinde Gübs nur die Wahl zwischen einer Eingemeindung in die Stadt Magdeburg und der Eingemeindung in eine andere Gemeinde des Landkreises Jerichower Land bzw. ein Zusammenschluss mit einer oder mehreren anderen Gemeinden dieses Landkreises.

Die Gemeinde sollte nach dem erklärten und in Gesetzesform gegossenen Willen der alten Landesregierung so oder so untergehen. Dies ist nach der grundlegenden Rechtsänderung durch das Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung vom Juli dieses Jahres nicht mehr der Fall.

Wir haben auch dieser Gemeinde die Möglichkeit des rechtlichen Fortbestands ihrer Existenz eingeräumt. über diese neue fundamentale Alternative konnte die Bürgerschaft in Gübs mangels Angebots zum damaligen Zeitpunkt nicht entscheiden. Dieser Umstand ist den Menschen in der Gemeinde aber bekannt.

Und wie gespalten die Meinung zur Zukunft der Gemeinde Gübs ist, können wir alle der Medienberichterstattung entnehmen. Ich kann mir vor diesem Hintergrund nicht vorstellen, dass Sie, geschätzter Herr Amtsvorgänger, hier eine rechtswidrige Handlungsweise der Landesregierung sehen. Die in Ihrem Antrag enthaltene Kritik dürfte damit in sich zusammenfallen.

Ich möchte noch einige weitere Ausführungen zur Grundlage unseres Handelns machen, zumal auch an anderen Stellen unseres Landes vereinzelt kreisgrenzenüberschreitende änderungswünsche bestehen.

Unsere Kommunalverfassungsgesetze beruhen auf dem Prinzip, dass gegen den Willen beteiligter Kommunen Gebietsänderungen nur durch Gesetz erfolgen dürfen. Demgemäss bedürfte eine entgegenstehende Lösung - also das bewusste Wegdrücken des Willens eines beteiligten Selbstverwaltungsträgers - in jedem Falle eines Gesetzes im formellen Sinne. Dieses Gesetz würde aber auch dem Primat des öffentlichen Wohls unterliegen. Und wo, geschätzter Herr Amtsvorgänger, wollen Sie das z.B. im Fall Gübs herleiten?

Weder geht der Landkreis Jerichower Land durch den Wechsel der Gemeinde Gübs allein nicht unter, noch ist dies der Fall bei der Stadt Magdeburg, wenn Gübs nicht zu ihr käme. Der Wille der Gübser Bürger ist - wie festgestellt - nicht deutlich erkennbar.

Für mich als Innenminister wiegen hingegen folgende Punkte schwer.

Wir haben auf jegliche Zwangsmaßnahmen bei Gebietsänderungen mit der bereits genannten Einschränkung verzichtet. Genau dies würde aber geschehen, wollte man aus dem aktuellen Bestand des Landkreises eine Gemeinde in der von Ihnen offenbar beabsichtigten Weise herauslösen. Wir würden zudem ein zartes Pflänzchen zertreten, dass gerade wieder zu wachsen angefangen hat.

In der Vergangenheit hatten Landkreise wie auch andere Kommunen für ihre Zusammenarbeit die Möglichkeit einer Zweckvereinbarung genutzt. So wurden Synergien erzielt. Wir beabsichtigen, diese Form der Zusammenarbeit auch in Zukunft für alle kommunalen Ebenen auszubauen.

Mit dem Aufkommen der Pläne einer Kreisgebietsreform haben viele Landkreise diese Kooperationsform eingestellt, weil sie eine Präjudizierung der Gebietsentscheidung befürchteten. Das hat sich mit dem Regierungswechsel und der neuen kommunalfreundlichen Politik geändert.

Angesichts immer enger werdender finanzieller Spielräume sind wir zwingend auf solche Formen der Zusammenarbeit angewiesen. Diese können aber nach der aktuellen Rechtslage nur freiwillig erfolgen. Dies müssen wir fördern, nicht zerstören.

Nur der Vollständigkeit halber möchte ich darauf hinweisen, dass zudem die von der damaligen Landesregierung in Auftrag gegebene Stadt-Umland-Beziehungsanalyse gerade keine hinreichenden Verflechtungsbeziehungen zwischen der Gemeinde Gübs und der Stadt Magdeburg ausweist.

Zwingende und unabweisbare Gründe für ein in diese Richtung gehendes öffentliches Wohl sind nicht erkennbar. Wollte man gleichwohl die Interessen eines beteiligten Selbstverwaltungsträgers negieren und die öffnung der Kreisgrenzen auch gegen den Willen zulassen, so frage ich, wo sollen Grenzen gezogen werden.

In einen Bereich, der jetzt langsam wieder zur Ruhe kommt und damit zu einer ordentlichen Arbeitsatmosphäre zurückkehrt, würde die alles überdeckende Reformhektik der letzten Wahlperiode zurückgebracht. Das wollen wir nicht. Wir könnten uns dann nicht mehr auf die so dringend erforderliche Funktionalreform konzentrieren. Diese bedarf der Mitwirkung hoch motivierter und kräftiger Landkreise, die nicht durch die Beschäftigung mit dem Problem der eigenen Existenz belastet sind. Die Situation wird angesichts der neuesten Prognosen über die Bevölkerungsentwicklung erheblich verschärft.

Ich möchte ferner auf einen weiteren Aspekt unserer Rechtsordnung hinweisen, den Sie meine Damen und Herren, in der vergangenen Wahlperiode und noch in anderer Funktion betont und getragen haben.

Sie haben nach meiner Erinnerung im Innenausschuss dieses Hauses stets die Rolle der Landkreise als untere staatliche Verwaltungsbehörden hervorgehoben und betont, dass deren Gebiete nur durch den Gesetzgeber geändert werden können. Dies entspringe der verfassungsrechtlichen Wesentlichkeitstheorie. Genau daran halten wir uns. Und ich frage Sie vielmehr, was hat Sie zur änderung Ihrer Rechtsauffassung bewogen?

Nach alledem kann der von der SPD-Fraktion vorgelegte Antrag nur zurückgewiesen werden.

 

 

 

 

Impressum:

Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt

Pressestelle

Halberstädter Straße 1-2

39112 Magdeburg

Tel: (0391) 567-5516

Fax: (0391) 567-5519

Mail: pressestelle@mi.lsa-net.de

 

 

Impressum:Ministerium für Inneres und Sport des Landes Sachsen-AnhaltVerantwortlich:Danilo WeiserPressesprecherHalberstädter Straße 2 / am "Platz des 17. Juni"39112 MagdeburgTel: (0391) 567-5504/-5514/-5516/-5517/-5377Fax: (0391) 567-5520Mail: Pressestelle@mi.sachsen-anhalt.de