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Pressemitteilungen der Ministerien

Redebeitrag von Innenminister Klaus Jeziorsky zum Antrag der Fraktion der PDS: Umsetzung des Beschlusses des Landtages zum Erhalt und Ausbau der Gedenkstätte Lichtenburg in Prettin (Landkreis Wittenberg)

15.11.2002, Magdeburg – 199

  • Ministerium für Inneres und Sport

 

 

 

 

Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 199/02

 

 

 

 

 

Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 199/02

 

Magdeburg, den 15. November 2002

 

Es gilt das gesprochene Wort!!!

 

Redebeitrag von Innenminister Klaus Jeziorsky zum Antrag der Fraktion der PDS: Umsetzung des Beschlusses des Landtages zum Erhalt und Ausbau der Gedenkstätte Lichtenburg in Prettin (Landkreis Wittenberg)

TOP 11 der Landtagssitzung am 14.-15.11.02

Anrede,

die schwierige Situation der Gedenkstätte im Schloss Lichtenburg beschäftigt den Landtag seit mehreren Jahren. Allein diese Tatsache mag als Indikator dafür dienen, dass die dringend notwendige Modernisierung der Gedenkstätte kein leichtes Unterfangen ist. Aufgrund der inhaltlich schwierigen Fragen, die bei der Neukonzipierung der Gedenkstätte zu klären sind und der nicht unerheblichen Finanzmittel, die für die Umsetzung der vorgesehen Maßnahmen von Nöten sein werden, hat sich das Land bereit erklärt, den Landkreis Wittenberg als Betreiber der Einrichtung in jeder Hinsicht zu unterstützen. Ganz in diesem Sinne hat der Landtag in seinem Beschluss vom 14. März 2002 votiert, in dem er sich einerseits für den Erhalt und den Ausbau der überregional bedeutsamen Gedenkstätte einsetzte und andererseits die Landesregierung aufforderte, den Landkreis Wittenberg "weiter im Rahmen der bisherigen Haushaltsansätze zu fördern."

Genau dieses, meine Damen und Herren, tut die Landesregierung. Die Landesregierung ist zunächst der Auffassung, dass sie auch auf diesem Gebiet ein schlimmes Erbe der SED-Herrschaft angetreten hat. Die SED war es, die sich als Hüterin des antifaschistischen Erbes bezeichnete, aber in ihrer Gedenkstättenarbeit im Schloss Lichtenburg ein einseitiges, die historische Wahrheit verzerrendes und ganze Opfergruppen ausgrenzendes Geschichtsbild propagierte. Die SED ließ es zu, dass der Schlosskomplex als Internat, als LPG-Wirtschaftshof, als Schlosserei etc. genutzt und umfangreich umgebaut wurde.

 

Die SED ließ es zu, dass in der kulturhistorisch wertvollen Schlosskirche im Renaissancestil, in der auch Häftlinge am Gottesdienst teilnahmen, gebeiztes Getreide bis zur Fensterhöhe gelagert wurde. Im Ergebnis des Wirkens der SED ist festzustellen:

 

 

Die authentischen Räume, in denen zwischen 1933 und 1939 KZ-Häftlinge ¿ Männer und Frauen aus unterschiedlichsten Gründen ¿ inhaftiert wurden, wurden im Verlaufe der 40jährigen SED-Herrschaft umgebaut und ihrer Authentizität beraubt. Im Schloss Lichtenburg erinnert heute nichts mehr an den Aufenthalt der Häftlinge, es ist nicht mehr als KZ erlebbar.

Auch der im 19. Jahrhundert errichtete Gefängnistrakt befindet sich heute in einem desolaten Zustand.

Der einzige Bereich des gesamten Schlosskomplexes, der sich gegenwärtig noch im ursprünglichen Zustand präsentiert, ist der sogenannte Bunkerbereich, in dem Häftlinge mitunter furchtbaren Schikanen unterlagen.

Forschungen, die sich am historischen Sachverhalt orientierten und diesen aufzuklären versuchten, fanden vor 1989 allerhöchstens in Ansätzen statt. Erst jetzt wird mit großer Unterstützung des Landes in mühevoller Kleinarbeit versucht, die Geschichte des KZ zu ermitteln. Man kann es kaum glauben:

 

Erst durch die vom Land initiierten und geförderten Forschungen wird zur Zeit ermittelt, wen die Nazis tatsächlich in diesem frühen KZ einsperrten. Anders ausgedrückt: Diejenigen, die sich als Fortsetzer des Kampfes der Antifaschisten ausgaben, wussten nicht einmal, wessen Erbe sie anzutreten vorgaben.

Kann man zynischer mit den Opfern umgehen?

Anrede,

die Landesregierung ist sich ihrer Verantwortung vor der deutschen Geschichte bewusst. Es ist ihr Anliegen, ihren Beitrag zum Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz zu leisten. In diesem Sinne wird sie ¿ ich sage es noch einmal ¿ entsprechend dem Beschluss des Landtages vom 14. März 2002 den Landkreis Wittenberg als Träger der Gedenkstätte bei der dringend notwendigen Sanierung der Gedenkstätte Lichtenburg weiter unterstützen. Sie tut dies auf der Grundlage eines weitgehend vom Land finanzierten Sachverständigengutachtens, das verschiedene Varianten für die Einrichtung einer Gedenkstätte innerhalb des Schlosskomplexes ¿ ich betone noch einmal: innerhalb des Schlosskomplexes ¿ vorsieht.

Zwei dieser Varianten sahen vor, in verschiedenen Teilen des Hauptschlosses die Ausstellung und die Verwaltung der Gedenkstätte anzusiedeln. Die Gutachterin ¿ eine auf dem Fachgebiet anerkannte Wissenschaftlerin ¿ schlug als dritte Variante die Etablierung dieses Teils der Gedenkstätte im ehemaligen Werkstattbereich vor.

Im Ergebnis eines gründlichen Abwägungsprozesses kam das Land im Zusammenwirken mit dem Bund als Eigentümer der Liegenschaft, dem Kreis als Träger der Gedenkstätte und der Stadt Prettin zu der überzeugung, dass der ehemalige Werkstattbereich innerhalb des Schlosskomplexes die besten Bedingungen für die neue Gedenkstätte bieten wird. Dort wird eine den neuesten Erfordernissen entsprechende Gedenkstätte eingerichtet werden. Sie wird eine Dauerausstellung ebenso beinhalten wie Räume für Wechselausstellungen, für Seminare, eine Bibliothek etc. Bestandteil der neuen Gedenkstätte wird auch der frühere Bunkerbereich sein.

Die Umsetzung dieser Variante wird viele Vorteile bieten, die ich an dieser Stelle lediglich skizzieren kann:

Die Gedenkstätte erhält einen ausreichenden Platz, der genügend Raum für eventuelle Erweiterungen bietet. Durch die Loslösung vom Hauptschloss wird eine gewisse Unabhängigkeit von dessen weiterem Schicksal erreicht. Durch die Nutzung des ehemaligen Wirtschaftsgebäudes wird es möglich sein, einen separaten Zugang zur Gedenkstätte einzurichten.

Letztlich will ich nicht verschweigen, dass sich mit der Umsetzung dieser Varianten die Planungs- und Baukosten im Vergleich zur Herrichtung des Hauptgebäudes in kalkulierbaren Grenzen halten, denn die Bausubstanz des Schlosses ist völlig marode und der Investitionsbedarf nur schwer zu beurteilen gewesen. Wir benötigen darüber hinaus bei der Umsetzung dieser Variante keinen Fahrstuhl und haben wesentlich geringere Probleme mit der Schaffung der Fluchtwege.

Schließlich sei vermerkt, dass das immer wieder angeführte Argument, dass die Häftlinge mit dem Werkstattgebäude nicht in Kontakt kamen, schlicht und einfach falsch ist. Nach einer Zeichnung aus dem Jahre 1934 befanden sich dort die Schmiede, die Zimmerei, der Geräteschuppen und ein Feuerwehrdepot. Abbildungen zeigen Häftlinge auf diesem Hof unmittelbar vor der Werkstatt. Auch Zeitzeugenaussagen belegen, dass auf diesem so genannten Hinteren Hof des Schlosses sich der eigentliche Lageralltag für die Häftlinge abspielte.

Auch die Werkstatt unterlag wie das gesamte Schloss nach 1945 umfangreichen baulichen Veränderungen. Der Werkstattbereich ist also genauso viel oder wenig authentisch wie der gesamte Schlosskomplex. Doch die vor 1989 durchgeführten Umbaumaßnahmen hat die heutige Landesregierung nicht zu verantworten.

An dieser Stelle möchte ich Ihnen mitteilen, dass das von mir erwähnte Gutachten dem Gedenkstättenbeirat im Land Sachsen-Anhalt vorgestellt worden ist. Dieser kam nach intensiven Beratungen zu der Einschätzung, dass die Umsetzung jeder einzelnen der im Gutachten entwickelten Varianten im Ergebnis zu einer voll funktionsfähigen Gedenkstätte führen würde. Dementsprechend hat er ¿ auch, um die Verkaufsmöglichkeiten des Schlosses für den Bund nicht zu verschlechtern ¿ keine Priorität hinsichtlich der Umsetzung einer Variante erhoben. Auf der letzten Sitzung hat der Gedenkstättenbeirat am 2. September 2002 die Vorgehensweise des Landes noch einmal ausdrücklich gebilligt.

Vielleicht ist es für Sie wichtig, an dieser Stelle darüber hinaus davon Kenntnis zu bekommen, dass z.B. der Zentralrat der Juden das vom Land vorgesehene Konzept unterstützt.

Anrede,

mit meiner Stellungnahme zum Antrag der PDS-Fraktion wollte ich verdeutlichen, dass die Landesregierung bemüht ist, den Landkreis Wittenberg bei der Sanierung der Gedenkstätte Lichtenburg zu unterstützen.

Die vom Land favorisierte und mit den einzelnen Beteiligten abgestimmte Umbauvariante stellt sicher, dass die Gedenkstätte im Schlosskomplex verbleibt, denn die Werkstatt war und ist Teil dieses Komplexes. Das Land steht im engen Kontakt mit dem Bund. Ein eventueller Verkauf der Liegenschaft wird nicht zu Lasten der Gedenkstätte gehen. Das Land wird wie bisher bei der Erstellung des Gesamtkonzeptes den Sachverstand von Fachwissenschaftlern einholen und auch den Gedenkstättenbeirat des Landes konsultieren. Zu gegebener Zeit wird auch die interessierte öffentlichkeit informiert.

Ich lehne den Antrag der PDS-Fraktion mit dem Verweis auf den Landtagsbeschluss vom 14. März 2002 ab und fordere Sie auf, mit "NEIN" zu votieren. Eine andere Entscheidung ist sachlich nicht zu rechtfertigen.

 

 

 

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