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Pressemitteilungen der Ministerien

Redebeitrag von Innenminister Dr. Manfred Püchel zum Antrag der PDS zum Stopp des Verkaufs des ehemaligen KZ Schloss Lichtenburg in Prettin

18.12.2000, Magdeburg – 184

  • Ministerium für Inneres und Sport

 

 

 

Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 184/00

 

Magdeburg, den 18. Dezember 2000

 

 

Es gilt das gesprochene Wort!

 

Redebeitrag von Innenminister Dr. Manfred Püchel zum Antrag der PDS zum Stopp des Verkaufs des ehemaligen KZ Schloss Lichtenburg in Prettin

TOP 39 der Landtagssitzung am 14./15.12.00

Anrede,

mit ihrem Antrag will die PDS-Fraktion einen Stopp des vom Bund geplanten Verkaufs von Schloss Lichtenburg in Prettin erreichen. Die Antragsteller scheinen zu befürchten, dass die Gedenkstätte im Schloss, die an die dortigen Opfer der NS-Diktatur erinnert, durch diesen Verkauf in ihrer Existenz gefährdet ist.

 

Lassen Sie mich deshalb an dieser Stelle als für die Gedenkstätten zuständiger Minister zunächst die Sachverhalte zur Geschichte des Hauses skizzieren, um anschließend die Position der Landesregierung zum Erhalt und zum Ausbau der Gedenkstätte Lichtenburg darzulegen.

 

Das Schloss Lichtenburg in Prettin/Landkreis Wittenberg ließen die Kurfürsten von Sachsen im 16. Jahrhundert als Witwensitz der Kurfürstinnen errichten. Es umfasst mehrere Flügel und einen umfangreichen Wirtschaftshof. Seit der napoleonischen Fremdherrschaft diente der Gebäudekomplex als Zuchthaus. Ende des 19. Jahrhunderts wurde er um einen Zellenbau erweitert. Die Situation für die Unterbringung der Häftlinge war in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts so unakzeptabel, dass das Gefängnis 1928 geschlossen wurde.

 

Nach der Machtübernahme errichteten die Nationalsozialisten ab Frühjahr 1933 im leerstehenden Gebäudekomplex eines der ersten Konzentrationslager. Hunderte Häftlinge wurden hier inhaftiert, zu ihnen zählten die Sozialdemokraten Carlo Mierendorf und Wilhelm Leuschner ebenso wie die kommunistischen Reichstagsabgeordneten Theodor Neubauer und Ottomar Geschke. Aber auch Juden, Zeugen Jehovas, Homosexuelle und sogenannte Asoziale wurden hier durch die Nationalsozialisten ihrer Freiheit beraubt.

 

Zwischen 1937 und 1939 fungierte die Lichtenburg als zentrales Frauenkonzentrationslager; im Sommer 1938 befanden sich hier ca. 800 Frauen, die im Jahre 1939 entweder entlassen oder in das neu eingerichtete KZ Ravensbrück überstellt wurden. Bis zum Kriegsende diente das Schloss dann noch als SS-Zeughaus.

 

Nach dem Krieg nutzte man den Komplex zunächst für landwirtschaftliche Zwecke. Auf Initiative ehemaliger Häftlinge wurde im Jahre 1965 eine Gedenkstätte eingerichtet, in deren Zentrum der berüchtigte Bunker stand.

 

In drei ehemaligen Schlafsälen der Häftlinge wird seit 1978 eine Ausstellung im Rahmen des seit 1974 dort bestehenden Kreismuseums präsentiert. Diese Ausstellung ist, von wenigen Veränderungen abgesehen, bis auf den heutigen Tag unverändert geblieben.

 

Sie ist ein authentisches Zeugnis der Darstellung der NS-Diktatur in der DDR an einem Ort furchtbaren Leidens. Historische Zusammenhänge, die zum Entstehen der Nazidiktatur führten, sind verzerrt dargestellt. Die kommunistischen Opfer wurden in den Mittelpunkt der Ausstellung gerückt. Die SED gab sich als legitimer Erbe des antifaschistischen Widerstandskampfes aus.

 

Zur Legitimation der SED-Herrschaft durch die Darstellung der Ereignisse im KZ Lichtenburg gehört aber auch, dass ganze Opfergruppen ausgeblendet wurden. Zeugen Jehovas, Homosexuelle und jüdische Opfer passten nicht in das Bild vom propagierten antifaschistischen Widerstandskampf und schon gar nicht zu den politischen Vorgaben der SED-Führung in den 60er und 70er Jahren.

 

Während sich die SED-Führung als einziger Nachfolger des antifaschistischen Widerstandskampfes ausgab, wurde der authentische Ort des Leidens der Häftlinge entweiht. Im ehemaligen Zellenbau richtete die ansässige LPG eine Werkstatt und ein Lager ein. Die kunsthistorisch wertvolle Schlosskirche diente daneben als Kornspeicher.

 

Nach dem Untergang der DDR übernahm der Bund die Liegenschaft, der Landkreis Wittenberg betreibt die Gedenkstätte im Rahmen des dort ebenfalls ansässigen Kreismuseums. Seit der Auflösung der örtlichen LPG und der Berufsschule wird das Schloss lediglich durch diese musealen Einrichtungen genutzt.

 

Anrede,

die schwierige und gegenwärtig unbefriedigende Situation der Gedenkstätte Lichtenburg ist dem Land bekannt. Deshalb hat sich der Gedenkstättenbeirat des Landes in den letzten Jahren bereits mehrfach mit dem Problem der Gedenkstätte Lichtenburg befasst. Im Mai 1998 führte er zu diesem Zweck eine Sitzung vor Ort durch.

 

Ich persönlich habe vor einigen Monaten die Gedenkstätte besucht und mich über die historischen Ereignisse und die gegenwärtige Situation informiert. Die erwähnte Nutzung authentischer Orte durch die LPG hat mich dabei regelrecht schockiert.

 

Bei den Gesprächen mit den Beteiligten bin ich zu der überzeugung gelangt, dass das Land die Kommune bei der Umgestaltung der Gedenkstätte sowohl konzeptionell als auch finanziell unterstützen muss.

 

Zur Verbesserung der Situation der Gedenkstätte Lichtenburg hat das Land mit dem Landkreis Wittenberg seit längerem Gespräche geführt, die zu folgenden Ergebnissen geführt haben:

 

 

 

Ziel der Umgestaltung soll es sein, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die heutige Generation historisch korrekt über die Ereignisse im KZ Lichtenburg informiert wird. Die Gedenkstätte muss in jeder Hinsicht in die Lage versetzt werden, ihre Funktion als Ort der Trauer, des Lernens und der Begegnung voll erfüllen zu können.

 

Vor Beginn der Umgestaltung ist eine Konzeption für die Gedenkstätte innerhalb des Schlossensembles zu erarbeiten.

 

Vor Erarbeitung einer neuen Ausstellung sind gründliche historische Forschungen und Recherchen durchzuführen.

 

Auf der Grundlage dieser zu erarbeitenden Konzepte wird ab 2002 sowohl die Umgestaltung der Ausstellung als auch der Umbau des Hauses vorgenommen. Im von der Landesregierung vorgelegten Haushalt des Jahres 2001, den wir am gestrigen Tag beschlossen haben, ist eine sechsstellige Verpflichtungsermächtigung für das Jahr 2002 eingestellt worden.

 

Nach Vorliegen eines detaillierten Konzeptes für die zukünftige Gestaltung der Gedenkstätte Lichtenburg wird ein entsprechender Förderantrag an den Bund gerichtet.

 

 

 

6. Das zuständige Dezernat des Regierungspräsidiums Magdeburg wird den Landkreis Wittenberg in allen Fragen der Umgestaltung der Gedenkstätte Lichtenburg unterstützen.

 

 

Anrede,

von entscheidender Bedeutung für den weiteren Erhalt des gesamten Gebäudeensembles ist die Herbeiführung einer möglichst vollständigen Nutzung des Komplexes. Der gegenwärtige Leerstand wird auf Dauer zu einer weiteren Verschlechterung der Gebäudesubstanz führen und letztlich auch nicht im Sinne der Gedenkstätte und der Opfer des NS-Regimes sein.

 

Deshalb unterstützt die Landesregierung von Sachsen-Anhalt den geplanten Verkauf des ehemaligen Schlosses Lichtenburg durch den Bund unter der Voraussetzung, dass die zukünftige Nutzung den Interessen der Gedenkstätte nicht zuwider läuft. Entsprechende Absprachen mit dem Bund haben bereits vor einigen Monaten stattgefunden. Seitens der Oberfinanzdirektion ist zugesichert: Landkreis und Land werden Gelegenheit erhalten, sich einzubringen.

 

Der Antrag der PDS-Fraktion erweckt den Eindruck, als ob die Landesregierung durch Nichtstun die Gedenkstätte sozusagen ihrem Schicksal überlässt und geht insoweit fehl.

 

Der änderungsantrag der SPD-Fraktion trifft hingegen in Kenntnis der Verantwortlichkeiten den Kern der Sache. Zum derzeitigen Verhandlungsstand der Bundesregierung kann ich an dieser Stelle ausführen, daß die Oberfinanzdirektion eine freie Ausschreibung plant und hierfür an einer Expertise arbeitet, welche namentlich auch Rücksicht auf die Gedenkstätte nimmt.

 

Im übrigen bin ich gern bereit, zu gegebener Zeit im Ausschuss für Inneres über die Kenntnisse des Landes Sachsen-Anhalt über den Stand der Verkaufsverhandlungen der Bundesregierung zu berichten.

 

 

 

 

 

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