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Pressemitteilungen der Ministerien

Rede von Innenminister Dr. Manfred Püchel zum Antrag der SPD-Fraktion ? Maßnahmen zur Prävention und Verfolgung rechtsextremistisch motivierter Straftaten

18.12.2000, Magdeburg – 183

  • Ministerium für Inneres und Sport

 

 

 

Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 183/00

 

Magdeburg, den 18. Dezember 2000

 

 

Es gilt das gesprochene Wort!

 

Rede von Innenminister Dr. Manfred Püchel zum Antrag der SPD-Fraktion ¿ Maßnahmen zur Prävention und Verfolgung rechtsextremistisch motivierter Straftaten

TOP 35 der Landtagssitzung am 14./15. Dezember 2000

 

Anrede,

der Kampf gegen den Rechtsextremismus eignet sich nicht für Streit und Wettbewerb zwischen demokratischen Parteien. Deshalb bin ich froh, dass wir vor kurzem im Landtag, wenn auch über Umwege, mit großer Mehrheit eine gemeinsame Entschließung zum Thema Rechtsextremismus verabschiedet haben.

 

Auch für den von der SPD-Fraktion heute vorgelegten Antrag bin ich dankbar, denn es ist gut, wenn sich im Landtag die Meinungsbildung zum Thema Rechtsextremismus auf Grundlage von Anträgen vollzieht, die von demokratischen Fraktionen eingebracht sind, und nicht als Reaktion auf Anträge - ich sagte dieses bereits heute morgen - von rechtsradikalen Fraktionen, die selbst ein Teil des Problems sind.

 

Anrede,

der im Antrag der SPD-Fraktion begrüßte Beschluss der Innenminister war einer der Kernpunkte der Herbstsitzung der Innenministerkonferenz Ende November.

 

Die Beschlussniederschrift der IMK wird dem Landtag wie gewöhnlich zur Kenntnis gegeben. Ich darf besonders Interessierte deshalb auf diese schriftliche Unterlage verweisen und will mich hier auf wenige Grundaussagen des Beschlusses konzentrieren:

 

Zum einen geht es den Innenministern darum, die Erfassung rechtsmotivierter Straftäter und auch Störer in den polizeilichen Dateien zu verbessern. Um ein Beispiel zu nennen: Die Polizei hat bei der Verhinderung eines Skinhead-Konzerts in Annaburg bei Jessen zuletzt die Identität von nahezu 450 Konzertbesuchern feststellen können. Eine Speicherung dieser Daten soll zukünftig bei vergleichbaren Ereignissen die Ermittlungen erleichtern helfen.

 

Zweitens geht es um die Fortschreibung eines Maßnahmekatalogs, der von einer Intensivierung der öffentlichkeitsarbeit über Internetrecherchen bis hin zu Meldeauflagen und sogenannten Gefährder-Ansprachen reicht.

 

 

Diese gezielte Ansprache polizeibekannter potentieller Störer und Straftäter aus der rechten Szene ist hier im Land im Rahmen der sogenannten Hess-Gedenkwoche von der Polizei bereits erfolgreich praktiziert worden. Die rechte Szene spürt den Druck des Staates und dieser Druck zeigt Wirkung. Ein gleichartiges Konzept wurde übrigens im Vorfeld der Fußballeuropameisterschaft mit großem Erfolg bei der Bekämpfung von Hooligans angewandt.

 

Den dritten Schwerpunkt des IMK-Beschlusses bildet zu Recht eine Präventionskampagne gegen Rechtsextremismus. Sie hebt die Bedeutung gesamtgesellschaftlicher Prävention hervor.

 

Bundesweite Präventionsgremien - Projektleitung Polizeiliche Kriminalprävention und Deutsches Forum Kriminalprävention - zu denen auch unser Land im Rahmen der IMK seinen Beitrag leistet, gewährleisten die nötige Professionalität von zielgerichteten Präventionsmaßnahmen.

 

Hervorzuheben ist ein Präventionspreis, der bundesweit ausgelobt werden soll. Es wäre ein erfreuliches Signal, wenn es hierfür aus Sachsen-Anhalt viele und womöglich erfolgreiche Teilnehmer geben würde. Dies wäre auch ein deutlicher Beleg für das im vorliegenden Antrag erwähnte bürgerschaftliche Engagement gegen Rechts.

 

Ich darf an dieser Stelle an Sie alle appellieren, bei entsprechenden Initiativen, in Vereinen und Schulen und wo auch immer, bereits jetzt das Interesse an diesem Präventionspreis zu wecken.

 

Anrede,

bereits die genannten Erläuterungen zum aktuellen IMK-Beschluss haben deutlich gemacht, dass die präventive wie repressive Bekämpfung des Rechtsextremismus durch Polizei und Verfassungsschutz seit Jahren praktiziert wird.

 

Ich habe Ihnen die wichtigsten Maßnahmen bereits bei anderer Gelegenheit vorgestellt:

 

 

 

etwa die Einrichtung der Koordinierungs- und Ermittlungsgruppe Rechts

und des Mobilen Einsatzkommandos Staatsschutz im LKA

oder die sukzessive personelle Verstärkung der Fachkommissariate in allen Polizeidirektionen und Polizeirevieren des Landes.

 

 

Auch die kontinuierliche Steigerung der polizeilichen Präsenz an erkannten Schwerpunkten war und ist ein Mittel, um den Erscheinungsformen des Rechtsextremismus auch dort zu begegnen, wo sie nicht unbedingt strafbar, aber doch störend und bedrohlich sind.

 

Gerade letzteres wird immer wieder auch aus Ihren Reihen als Bitte an mich herangetragen. Diese polizeiliche Präsenzerhöhung ist natürlich außerordentlich personalintensiv und findet deshalb seine Grenzen im vorhandenen Personal.

 

Ich bin diesbezüglich im übrigen gerade im Gespräch mit Bundesinnenminister Schily, um hier durch eine engere Zusammenarbeit mit dem Bundesgrenzschutz zu einem Mehr an polizeilicher Präsenz gerade in den öffentlichen Verkehrsmitteln und Bahnhöfen zu kommen.

 

 

Anrede,

bereits bewährt haben sich in diesem Zusammenhang auch die mit der SOG-änderung geschaffenen Befugnisse. Dies gilt insbesondere für den erweiterten Platzverweis, dessen Einsatz bei verschiedenen Anlässen Schlimmeres verhütet hat.

 

Die Liste polizeilicher Maßnahmen gegen Rechtsextremismus in Sachsen-Anhalt ließe sich weiter fortsetzen. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit aber noch auf einen Punkt lenken, der uns hier im Landtag ebenfalls bereits beschäftigt hat, die sogenannten Skinhead-Konzerte.

 

Ich halte die Verhinderung dieser Konzerte insbesondere deshalb für so wichtig, weil hier mit Hilfe geradezu typischer Mittel,

 

 

 

wie aggressiver Musik,

ausuferndem Alkoholkonsum

und ausgeprägtem Cliquenverhalten,

 

 

Jugendliche in Subkulturen, Gewalttätigkeit und Menschenverachtung hineingezogen werden.

 

Dass es dabei verstärkt auch um handfeste materielle Interessen geht, zeigen die Erfolge der polizeilichen Vermögensermittler im Bereich der Skinheadmusikszene.

 

In einem Erlass vom November 1999 habe ich Ordnungsbehörden, Polizei und Verfassungsschutz noch einmal besonders nachdrückliche Hinweise zur Verhinderung solcher Konzerte gegeben. Seither sind alle bekannt gewordenen Skinheadkonzerte verhindert oder zu einem sehr frühen Zeitpunkt aufgelöst worden.

 

Besonders erwähnen möchte ich hier unseren Verfassungsschutz, der im vergangenem Jahr eine Fülle von Informationen zur Verhinderung solcher Konzerte geliefert hat.

 

Durch eine gute Abstimmung konnte in den letzten Jahren die Zusammenarbeit mit der Polizei verbessert werden. Diese gute Zusammenarbeit und die häufig genug auch länderübergreifende Einsatzbereitschaft unserer Polizei an vielen Wochenenden haben zu den positiven Ergebnissen beigetragen - und dieses obwohl die Vorbereitung solcher Konzerte immer konspirativer wird und die Veranstaltungsorte immer abgelegener sind.

 

Nachdem praktisch keine Säle oder geschlossenen Räume mehr zur Verfügung stehen, versuchen die Rechten im Freien oder wie zuletzt in Annaburg in verlassenen Militärliegenschaften, fernab von Ortschaften, Auftritte zu organisieren.

 

Das versuchte Konzert in Annaburg war am 25. November in der Nacht im Anschluss an die große NPD-Demonstration in Berlin vorgesehen. Im Vorfeld war uns nur der Großraum Mitteldeutschland als möglicher Veranstaltungsort polizeilich bekannt geworden.

 

Auch hier konnte unser Verfassungsschutz noch rechtzeitig den Hinweis auf die Militärliegenschaft in der Annaburger Heide liefern. Dieses Gebiet liegt mitten in einem dichten Waldgebiet, 5 km von den nächsten Ortschaften entfernt, auf der Grenze von Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Sachsen. Der Polizei gelang es, mit Hilfe rechtzeitiger Vorkontrollen und Platzverweisen einen Großteil der anreisenden Skinheads bereits vor dem Gelände abzufangen.

 

Verfassungsschutz und das BKA hatten zugleich vor militanten übergriffen für den Fall der Auflösung des Konzertes gewarnt. Die Einsatzhundertschaften der Landesbereitschaftspolizei, die zur NPD-Demonstration bereits tagsüber in Berlin im Einsatz waren, wurden vorzeitig aus dem dortigen Einsatz herausgelöst und nach Annaburg beordert.

 

Es gelang auch, die Kräfte aus Thüringen, Sachsen und Brandenburg dort zusammenzuziehen. Vieles deutet im Nachhinein darauf hin, dass neben den Vorkontrollen nur diese starke Präsenz der Polizei die angekündigten militanten Ausschreitungen der Rechten verhindert haben, für die es vor Ort besorgniserregende Hinweise gab.

 

Die Polizeiführer berichteten im Anschluss von geradezu gespenstischen Szenen in dem dichten Waldgebiet mitten in der Nacht bei starkem Nebel und von auf der Straße entzündeten Autoreifen. Im Anschluss wurden bereitgehaltene Mittel zu übergriffen gegen die Polizei bis hin zu Molotowcocktails aufgefunden, was die zunehmende Militanz in der rechten Szene noch einmal deutlich machte.

 

Um den Bericht zu Ende zu führen: Die zwei Hundertschaften unserer Bereitschaftspolizei, die tagsüber in Berlin die Demonstration gegen die NPD begleitetet hatten, die in Annaberg an entscheidender Stelle bis in den frühen Morgen im Einsatz waren, mussten noch in der Nacht nach Berlin zurück, weil sie dort ihren Einsatz überstürzt abgebrochen hatten.

 

Anrede,

ich habe diesen Bericht vom Einsatz der Bereitschaftspolizei hier bewusst einmal in dieser Breite dargestellt. Denn solche unmittelbaren Berichte unserer Beamtinnen und Beamten machen deutlich, welche Anstrengungen und Gefahrensituationen für unsere Polizei bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus mitunter bestehen.

 

Und sie machen vielleicht besser als jedes Konzept oder Statistik deutlich, was in den Köpfen dieser jungen Beamtinnen und Beamten vorgehen mag, wenn der Polizei von vermeintlich kritischen Teilen der öffentlichkeit pauschal vorgeworfen wird, auf dem rechten Auge blind zu sein oder die Gefahren des Rechtsextremismus zu verharmlosen.

 

Völlig fehl geht insbesondere der Vorwurf, die Polizei würde bei Demonstrationen Rechtsextremer unverhältnismäßig gegen linke Gegendemonstranten vorgehen. Das Grundgesetz unterscheidet nicht zwischen erwünschten und unerwünschten Versammlungen. Und es ist nun einmal undankbare Aufgabe der Polizei, die Versammlungsfreiheit auch von Rechten - wenn Versammlungsverbote nicht möglich sind - gegenüber Gegendemonstranten zu verteidigen. Diese Aufgabe macht den Beamtinnen und Beamten bestimmt keine Freude. Sie tun allein ihre Pflicht. Kritik ist hier völlig unangebracht.

 

Anrede,

lassen Sie mich zusammenfassen: Ich kann Ihnen versichern, dass die Landesregierung in der Bekämpfung des Rechtsextremismus eine ihrer Hauptaufgaben sieht. Ich kann Ihnen weiter versichern, dass Polizei und Verfassungsschutz einen konsequenten und wichtigen Beitrag zur Bekämpfung des Rechtsextremismus in diesem Land leisten.

 

 

 

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