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Pressemitteilungen der Landesregierung

Redebeitrag von Innenminister Dr. Manfred Püchel zur Rückführung von Kosovo-Albanern

15.09.2000, Magdeburg – 115

  • Ministerium für Inneres und Sport

 

 

 

Ministerium des Innern - Pressemitteilung Nr.: 115/00

 

Magdeburg, den 15. September 2000

 

 

Redebeitrag von Innenminister Dr. Manfred Püchel zur Rückführung von Kosovo-Albanern

 

TOP 31 der Landtagssitzung am 14./15. September 2000

Es gilt das gesprochene Wort!

Der Kosovo-Krieg ist gerade vor einem guten Jahr beendet worden. Die Bilder sind den meisten von uns jedoch immer noch gegenwärtig. Auch wenn die Erinnerung an die furchtbaren Ereignisse auf dem Balkan von anderen Ereignissen in der Zwischenzeit überlagert wird.

Erinnern wir uns:

Der Bosnien-Krieg dauerte 3 Jahre 1992 ¿ 1995, kostete mehrere 100.000 Menschen das Leben und brachte allein rund 350.000 Flüchtlinge nach Deutschland, davon 2.000 nach Sachsen-Anhalt.

300.000 Flüchtlinge sind bisher in ihre Heimat zurückgekehrt. In Sachsen-Anhalt halten sich derzeit nicht einmal mehr 90 bosnische Flüchtlinge auf, davon 33 mit festen Weiterwanderungsplänen sowie einige Härtefälle, so dass nur noch 28 unmittelbar ausreisepflichtige Personen verbleiben. Wir können heute also praktisch von einem guten Abschluss sprechen.

Die Rückführung wurde, immer auch in Absprache mit den anderen Ländern in der IMK, unter besonderer Beachtung humanitärer Grundsätze, zeitlich und insbesondere nach Problemgruppen gestaffelt, erfolgreich durchgeführt.

So wollen wir es auch mit den Kosovo-Flüchtlingen halten. Auch dem interfraktionellen Antrag "Humanitäre Grundsätze in der Flüchtlingspolitik beachten" entsprechend, den der Bundestag Anfang Juli beschlossen hat.

Der Kosovo-Konflikt des Jahres 1999 war zwar in der zeitlichen Dimension viel kürzer als der Bosnienkrieg. Der Zerstörungsgrad ist dementsprechend auch geringer. Er hatte jedoch eine ungeheure Vertreibungs- und Flüchtlingswelle zur Folge.

Infolge der brutalen Vertreibungen und Deportationen durch die Serben ist fast die Hälfte der ehemals im Kosovo lebenden 2,1 Mio Menschen aus dem Kosovo, zumeist in die Nachbarstaaten vertrieben worden.

Aber auch die Bundesrepublik Deutschland hat davon rund 180.000 Flüchtlinge aufgenommen. Sachsen-Anhalt hat mit der Aufnahme von rund 3.500 Kosovo-Albanern, seinen Beitrag in der Solidargemeinschaft der Länder geleistet. Insbesondere auch mit der Aufnahme von rund 600 aus Mazedonien evakuierten Flüchtlinge. Der überwiegende Teil der Kosovo-Albaner war schon vor dem Ausbruch des Krieges als Asylbewerber zu uns gekommen.

Inzwischen liegt ¿ wie gesagt ¿ das Kriegsende mehr als 1 Jahr hinter uns, die Entwicklung ist weitergegangen, Rückkehr und Wiederaufbau sind im Gange, wenn auch vielleicht nicht so schnell wie von uns allen gehofft und erwartet.

Die Innenminister und ¿senatoren der Länder sind sich mit dem Bundesminister des Innern einig, dass angesichts der zwischenzeitlichen Ergebnisse der zivilen Friedensimplementierung und des Wiederaufbaus die Rückkehr der Kosovo-Albaner in ihre Heimat seit Herbst letzten Jahres grundsätzlich möglich ist .

Auch ich konnte mich anlässlich meines Besuches im Frühjahr dieses Jahres selbst vor Ort davon überzeugen. Dabei übersehe ich nicht, dass es auch jetzt noch ethnische übergriffe gibt, aber diesmal vor allem von Kosovo-Albanern auf Minderheiten, insbesondere Serben, Roma und Ashkali, die außerhalb der Grenzen des Kosovo Schutz suchen müssen.

Sachsen-Anhalt hat in diesem Jahr weitere 300 Flüchtlinge dieser Personengruppe aufgenommen und ihnen einen vorübergehenden Aufenthalt gewährt.

Ausgehend von den guten Erfahrungen bei der Rückkehr der ehemaligen bosnischen Bürgerkriegsflüchtlinge in ihre Heimat gilt auch für die Rückkehr der Kosovo-Albaner das Prinzip des Vorrangs der Freiwilligkeit unter Beachtung humanitärer Grundsätze.

Anrede,

in der schon kurz angesprochenen Initiative des Bundestages vom 6. Juli 2000 hat der Bundestag die Bundesregierung aufgefordert, humanitäre Grundsätze der Flüchtlingspolitik bei der Rückführung der Kosovo-Albaner zu beachten.

Der Landtag von Nordrhein-Westfalen hat sich in der vergangenen Woche dieser Initiative des Bundestages zum sensiblen und umsichtigen Umgang mit Flüchtlingen angeschlossen. Mein Haus hat bereits mit Erlass vom 16. Februar 2000 den humanitären Grundsätzen der Flüchtlingspolitik Rechnung tragend, die Rückführung von Kosovo-Albanern mit folgenden Schwerpunkten geregelt:

 

1. alle Kosovo-Albaner ohne dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Deutschland haben sich auf eine freiwillige Rückkehr vorzubereiten,

2. die freiwillige Rückkehr hat Vorrang vor zwangsweiser Rückführung (Abschiebungen),

3. die freiwillige Rückkehr wird insbesondere im Rahmen der Programme REAG ( Unterstützung des Rücktransportes ) und GARP ( sog. Starthilfe vor Ort ) gefördert, die im Prinzip von Bund und Land jeweils zur Hälfte finanziert werden. Der Bund zieht sich allerdings zum Teil aus der hälftigen Finanzierung zurück, was die Länder zu Recht kritisieren.

4. zurückgeführt werden nur Albaner aus dem Kosovo. Andere Volksgruppen, z. B. Serben, Roma und Ashkali, bleiben vorerst ausgenommen,

5. unbeschadet des Vorrangs der freiwilligen Ausreise sind, sofern die Ausreisepflicht nicht beachtet wird, Maßnahmen zur zwangsweisen Rückführung einzuleiten,

6. es erfolgt eine nach bestimmten Personengruppen gestaffelte Rückkehr (Straftäter),

7. bestimmte Personengruppen werden von der Rückführung vorerst ausgenommen, z. B. traumatisierte Personen, Zeugen, die in Den Haag aussagen sollen, Familien unterschiedlicher Ethnie, Auszubildende,

8. die Ausreisefrist eines erwerbstätigen Familienangehörigen kann verlängert werden, wenn die übrigen Familienmitglieder freiwillig ausgereist sind.

 

Diese Verfahrensweise bei der Rückführung von Kosovo-Albanern hat bisher zu folgenden Ergebnissen geführt:

Von den insgesamt rund 3.800 vom Land aufgenommenen Kosovo-Albanern befinden sich gegenwärtig noch rund 2.400, davon nur noch rund 80 aus Mazedonien evakuierte Flüchtlinge, in Sachsen-Anhalt.

Im Einzelnen:

 

- 990 Kosovo-Albaner sind bisher freiwillig zurückgekehrt.

- 980 Kosovo-Albaner, davon nach eigenen Angaben rund 680 Roma und Ashkali, befinden sich noch im Asylverfahren, einschließlich Folgeanträgen,

- rund 365 Kosovo-Albaner sind zwischenzeitlich nicht mehr auffindbar. Sie sind offenbar "untergetaucht",

- 96 Kosovo-Albaner (rund 2,5 %) wurden im Wege der Abschiebung zurückgeführt, darunter 4 Straftäter.

 

Die Rückkehr der Flüchtlinge erfolgt koordiniert in Abstimmung des Bundesinnenministeriums und des Auswärtigen Amtes mit der UNMIK, dem UNHCR und IOM.

Besonders wichtig ist, dass die Rückkehr ausschließlich in vom UNHCR freigegebene sichere Zielgebiete erfolgt. Dies sind zur Zeit Pristina, Gujilana, Urosevac, Prizren, Pec, Dakovica sowie Mitrovica. Wohnunterkunft und Lebensunterhalt sind gewährleistet. Das bedeutet jedoch nicht, dass in jedem Fall der vor der Vertreibung genutzte Wohnraum wieder zur Verfügung steht.

Das angewandte Prinzip des Vorrangs der Freiwilligkeit, die getroffenen Regelungen zur Rückkehr und die erreichten Ergebnisse zeigen, dass in Sachsen-Anhalt bei der Rückkehr der Kosovo-Albaner mit der nötigen Sensibilität aber auch unter Beachtung der zwingenden ausländerrechtlichen Gesichtspunkte verfahren wird.

Anrede,

mit dem vorliegenden Antrag der PDS soll die Rückführung der Kosovo-Albaner "strikt nach dem Freiwilligkeitsgrundsatz" erfolgen, die Rückführung in stark zerstörte Regionen des Kosovo bis zum Frühjahr 2001 ausgesetzt und die Rückführung ebenfalls erst ab dem Frühjahr 2001 vorgenommen werden, wenn sich die Lebensbedingungen im Kosovo nachprüfbar verbessert haben.

Das vom Antragsteller geforderte "strikte" Prinzip der Freiwilligkeit müsste mit dem Ausländerrecht und der IMK-Beschlusslage in übereinstimmung gebracht werden. Dies ist kaum möglich, aber auch ¿ wie meine obigen Ausführungen gezeigt haben - nicht notwendig, um humanitären Grundsätzen zum Durchbruch zu verhelfen.

Die Aussetzung der Rückkehr bis zum Frühjahr 2001 würde zudem zu einer längeren finanziellen Belastung des Landes, vor allem der Kommunen führen. Ich sehe keine sachlichen Gründe für eine derartige verzögerte und verteuerte Rückführung. Insbesondere da die Rückführung, wie bereits erwähnt, nur in vom UNHCR freigegebene sichere Zielgebiete erfolgt.

Für den Antrag besteht also insgesamt kein Bedarf. Das Land wird sich vielmehr im Einklang mit dem geltenden Ausländerrecht und der IMK-Beschlusslage bewegen. Wie bisher. Und wir werden auch wie bisher diese Regeln so positiv wie möglich für die Flüchtlinge interpretieren.

Die besondere liberale Ausländerpolitik in unserem Lande, gerade auch in diesem Bereich, braucht sich ¿ und das wissen alle Fachleute ¿ im Bundesvergleich nicht zu verstecken. Von daher sehe ich keinen Anlass, an unseren bewährten Rückkehrgrundsätzen etwas zu ändern.

Wenn Menschen in Not sind und als Flüchtlinge zu uns kommen, sind wir verpflichtet ihnen zu helfen. Wenn die Gründe für ihre Flucht jedoch nicht mehr existieren und die Möglichkeit der Rückkehr besteht, müssen sie jedoch genauso bereit sein, in ihre Heimat zurückzukehren. Der von uns im Februar herausgegebene Erlass ermöglicht es, dass diese Rückkehr so human wie möglich erfolgen kann.

Selbstverständlich bin ich gern bereit, Sie im Innenausschuss über die weitere Entwicklung ausführlich zu informieren.

 

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